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logistischen Aufwand. Die Besatzung dieser fliegenden Intensivstation besteht aus zwei Piloten, sechs Flugbegleitern und der 28-köpfigen medizinischen Crew. Sie werden deutschlandweit von allen Luftwaffenstützpunkten angefordert und nach Köln eingeflogen. Die Piloten sind ausgebildet im Fliegen mit ›Nadel und Kompass‹, also dem Fliegen ohne elektronische Leitsysteme, denn in vielen Ländern wie Usbekistan gibt es das nicht. Die Anflüge unter solchen Verhältnissen erfordern hohes fliegerisches Können. Durch die Häufigkeit der MedEvac-Einsätze stehen viele gut eingespielte Crews bereit. 70 bis 80 Prozent der airbustauglichen Luftwaffenpiloten sind schon MedEvac-Einsätze geflogen. Sie fliegen regelmäßig im Personenshuttle für die Truppentransporte Richtung Afghanistan und kennen
die Flugroute und die Landebedingungen auf dem Flughafen Termez, sodass wir auf sehr erfahrene Piloten zurückgreifen können. Ein StratAir-MedEvac-Flug Richtung Afghanistan bedeutet eine 20-stündige Einsatzzeit. In Afghanistan darf der MedEvac-Airbus aus Sicherheitsgründen nicht landen. Der MedEvac hat keine Bewaffnung und keine Ablenksysteme gegen Raketenbeschuss an Bord wie das kleinere Transall-Transportflugzeug. Trotzdem wird der MedEvac als Militärmaschine eingestuft, und bei Einsätzen im Ausland außerhalb der EU sind Überfluggenehmigungen und eine Landeerlaubnis zu besorgen. Er fliegt nur bis Termez in Usbekistan an der afghanischen Grenze. Den Flug über afghanischem Gebiet von Kabul nach Termez übernimmt die wesentlich kleinere Transall.
Vier Airbus 310 MRT hat die Bundeswehr, jeder verfügt über sechs Intensivbetten und insgesamt 38 Patiententransporteinheiten, sogenannte PTEs. Fast alle Geräte an Bord sind Spezialanfertigungen, die auf den Betrieb in einem Flugzeug abgestimmt sind. Das beginnt bei der Einhaltung von Maximalgewichten und geht bis zum Stromverbrauch. Auch gegen Stromausfälle muss das Flugzeug abgesichert sein; Generatoren und Batterien sorgen für einen Puffer von sechs Stunden Betriebslaufzeit.
Normalerweise fliegt nur ein Ärzteteam in den Einsatz, wenn es aber mehrere Schwerverletzte gibt, sind es auch mal zwei oder drei Teams. Mit dabei ist immer ein Facharzt für Anästhesie, er hat die Aufgabe, selbst schwerstverletzte Patienten auf dem Flug schmerzfrei zu halten und zu stabilisieren. Operationen könnten wegen der Turbulenzen und der räumlichen Enge an Bord nur im äußersten Notfall durchgeführt werden. Das ist auch nicht unsere Aufgabe – die Aufgabe ist der sichere Rücktransport in eine Fachklinik in Deutschland. Wir transportieren Notfälle, da spielt der Zeitfaktor die entscheidende Rolle. Allein im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz fliegen wir 20 Einsätze im Jahr mit dem MedEvac.
Der MedEvac ist keineswegs nur für die Bundeswehr unterwegs, sondern fliegt weltweit humanitäre Rettungseinsätze, wie etwa beim ersten Flug im November 2000, als 50 verletzte palästinensische Kinder aus Gaza-Stadt evakuiert und zur medizinischen Behandlung in deutsche Krankenhäuser transportiert wurden. 2002 kam der MedEvac nach der Jahrhundertflut in Dresden zum Einsatz, als die Patienten der Intensivstation wegen des Elbehochwassers in andere Krankenhäuser verlegt werden mussten. Wir haben auch 2004 die Tsunamieinsätze nach Südostasien geflogen. Unser MedEvac war damals mit Tsunamiopfern komplett belegt. Plötzlich hieß es, ein weiterer Tsunami rolle auf die Küste zu und wir mussten notstarten. Dabei waren die Schwerstverletzten noch nicht vollständig versorgt und das medizinische Team arbeitete unter Hochdruck weiter noch während der Jet auf die Startbahn rollte. Als er endlich abhob, klammerten sich Ärzte und Sanitäter an den Alugestellen der Transportliegen fest, auf denen die Verletzten lagen. Das war ein absoluter Notfall, zum Glück ist so etwas nie wieder passiert. Viele dieser Patienten wären ohne den MedEvac noch im Katastrophengebiet gestorben, so aber haben wir sie nach Hause in Sicherheit gebracht. Es waren dramatische Einsätze mit teilweise über 80 Stunden Dauer.
Das MedEvac-System der Bundeswehr ist einmalig in der Welt. Kaum einer in Deutschland weiß, wie viel Gutes die Bundeswehr hier leistet. Mehr als 4000 Verwundete und Kranke hat der MedEvac bisher retten können. Die Besatzung und das Ärzteteam sind stolz darauf, dass bisher noch keiner an Bord gestorben ist oder, wie wir sagen, ›keiner verloren‹ wurde. Ich werde immer wieder mal gefragt, wie teuer die
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