Wofuer wir kaempfen
guten Job. Allein darauf kam es an.
Antje macht ihr Testament
Mit 25 Jahren habe ich mein Testament gemacht, mich von meinen besten Freunden verabschiedet und den Lieblingsplätzen meiner Kindheit Lebewohl gesagt. Meine letzten Dinge geregelt und mir vorgestellt, wie das ist, wenn ich morgen tot bin. Das war im Sommer 2003.
Mit 25 Jahren denkt man ja eigentlich nicht ans Sterben. Aber ich hatte keine andere Wahl. Im Bonner Sanitätsdienst hatte ich meine Grenzen erreicht. Aus dem Abinachmachen und dem Medizinstudium war nichts geworden. Weiter als bis zum Stabsunteroffizier würde ich es wohl nicht mehr bringen. Ich hing fest in einer Endlosschleife des Krankenhausalltags, war einsam und hatte Heimweh. So stand ich da am Ende meines fünften Dienstjahres und mir wurde immer klarer, dass ich nicht auf zwölf Jahre verlängern, sondern den Dienst quittieren würde. Dazu kamen meine Enttäuschungen mit Männern. Es kam nichts Gescheites daher, dann eben lieber keinen. Und so saß ich mit Kater Zwerg zu oft allein vor dem Fernseher, eine Tasse Tee in der Hand und den schnurrenden Philosophen neben mir. Ich spürte, das würde kein Modell für die Zukunft sein. Kater Zwerg war es immer recht, wenn die Männer bald wieder verschwunden waren. Er hat sich meist breitbeinig in den Flur gestellt und sie angefaucht. Mein Kater kennt sich aus mit Menschen. Zwerg lässt sich nie von Fremden streicheln – und nie würde er auf die Idee kommen, einem Besucher schnurrend um die Beine zu streichen. Bei Leuten, die er mag, thront er oben in seinem Katzenbaumhaus auf seinem Diwan und fixiert sie mit seinen hypnotischen Augen. Und so schaute er mich an. Ich aber war unzufrieden und unausgeglichen und hatte den sehnlichen Wunsch nach einer Veränderung, ohne ein konkretes Ziel vor Augen zu haben. Es musste etwas geschehen.
Dann ergab sich wie damals bei der Sache mit dem Kreiswehrersatzamt eine Gelegenheit, die mein Leben verändern sollte. Ein Feldwebel (w) aus meiner Kompanie hatte nach einem Monat Auslandseinsatz ernste private Probleme bekommen. Ihr Mann war stiften gegangen, während sie in Bosnien den Frieden sicherte, und sie saß nun fern der Heimat mit Liebeskummer und Wut im Bauch im Feldlager Rajlovac. Eigentlich sollte sie noch vier Monate bleiben, aber das hätte unter den gegebenen Umständen zu einer Tragödie geführt.
Bei einem Besuch in Bonn kam sie auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht den Auslandseinsatz für sie übernehmen wolle – das war sie, die Veränderung, auf die ich gehofft hatte. Zudem wurde der Auslandseinsatz besser bezahlt. Als Stabsunteroffizier bekam ich damals ca. 1400 Euro Sold netto. Ich hatte in Bosnien einen Auslandszuschlag von ca. 50 Euro täglich. Nach Abzug der Steuern würde ich dann also etwas über 2600 Euro erhalten. Das ist einerseits gutes Geld, aber dafür musste ich 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche verfügbar sein. Das ergibt einen Stundenlohn von ca. 2,70 Euro. Jeder, der rechnen kann, wird schnell zu dem Ergebnis kommen: Nur wegen des Geldes setzt sich niemand diesen Gefahren aus. Ein Einsatz im Ausland wäre für mich der krönende Abschluss meiner aktiven Dienstzeit gewesen. Jahrelang Soldat zu sein und keinen einzigen Einsatz mitgemacht zu haben – vor allem keinen Auslandseinsatz –, das war für mich plötzlich etwas sehr Beunruhigendes. Diese Einsatzerfahrung wollte ich noch mitnehmen. Hätte ich das nicht gemacht, dann wäre bei mir immer so ein Gefühl des Unfertigen, Unerledigten geblieben. Als ich mich dann also für einen Einsatz in Bosnien gemeldet habe, kamen natürlich die Fragen meiner Eltern: »Muss das jetzt noch sein, ausgerechnet zum Ende deiner Dienstzeit? Gehst du da kein zu hohes Risiko ein?« Vor allem meine Mutter Ilona wurde sehr nervös und brachte Einwände vor. Bislang
musste sie nicht damit rechnen, dass ich im Sanitätsdienst in einer verschlafenen Stadt wie Bonn irgendeiner ernsten Gefahr ausgesetzt wäre. Das Gefährlichste an Bonn war der Straßenverkehr. Und der Karneval. Als ich aber anrief und sagte: »Du, Mama, ich bewerbe mich für den Auslandseinsatz und gehe nach Bosnien!«, sah für meine Eltern alles ganz anders aus.
2003 waren die Spuren des dreijährigen Bürgerkriegs in Bosnien mit über 278 000 Toten und Vermissten und über zwei Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen immer noch an jeder Ecke sichtbar. Das Land war arm und völlig zerstört. Immer wieder flackerten Unruhen voller Gewalt zwischen den verschiedenen
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