Wofuer wir kaempfen
für uns war es das große Abenteuer.
Wenn ich zurückdenke an meine Kindheit, dann kann ich nur sagen, dass ich glücklich war und nie das Gefühl hatte, dass mir etwas fehlen würde. Unsere Familie war intakt, und als ich sechs war, kam meine Schwester auf die Welt. Endlich ein Geschwisterchen, darüber war ich sehr froh.
Wir haben mit den Eltern jedes Jahr Urlaub an der Ostsee gemacht. Im FDGB-Heim, dem Erholungsheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, waren die Plätze rar und sie wurden nur für besondere Verdienste vergeben, dort waren wir nur zweimal, sonst gingen wir immer auf den Campingplatz. Ich kann mir noch heute für einen kleinen Jungen nichts Besseres vorstellen, als in Kiefernwäldern und Dünen zu spielen und schwimmen zu können, wann immer man will. Ich war den ganzen Tag draußen. Sonne, Wind, das Meer und vor allem die Dünen – ein Paradies für BMX-Fahrräder. Damals begann wohl meine große Radfahrleidenschaft und ich bin den ganzen Tag die Sandwogen rauf und runter.
Später ging ich auf die polytechnische Oberschule, aber ohne großen Ehrgeiz. Ich hatte was anderes im Kopf: mein Crossrad. Mit acht Jahren war ich 1982 in den SG Adelsberg eingetreten und hatte schon erste Crossrennen gewonnen. Auch beim Skilanglauf stand ich immer wieder auf dem Siegertreppchen. Meine Schulzeugnisse dagegen waren eher durchschnittlich und auch sonst galt ich als unauffällig. Mein Motto war immer: Erst mal schauen, die Lage peilen. Ich bin einfach so mitgeschwommen, kann man sagen, aber nie gegen den Strom. Ich wollte einfach meine Ruhe und keine Konflikte, hatte vor allem meine Crossstrecke im Kopf, die ich im Wald selbst gebaut hatte und auf der ich mich richtig ausgetobt habe. Stundenlang. Nur dort habe ich wirklich Ehrgeiz gezeigt. Ab und zu bin ich zu meinen Großeltern geradelt, die in unserer Nähe wohnten und zu denen ich ein enges Verhältnis hatte. Mit meinem Opa habe ich dann oft den ganzen Nachmittag an der Werkbank in seiner kleinen Werkstatt verbracht. Wir haben alles selbst gebaut. Viel mit Holz. Anbauten. Frühbeete für den Salat. Kaninchenställe. Möbel. Einen neuen Schuppen. Bevor es losging, mussten wir immer erst das Material organisieren. Es war ja in der DDR damals nicht so, dass man einfach
zum Baumarkt gefahren ist und eingekauft hat, was man so brauchte. Vom Brett bis zur kleinsten Schraube musste alles über aufwändige Kettentauschgeschäfte beschafft werden. Hast du Bretter, dann tausch ich die gegen eine Kloschüssel, die jemand braucht, um ein Ersatzteil für seinen kaputten Trabbi einzutauschen. So ging das damals – alle kannten sich irgendwie, zumindest über solche Tauschgeschäfte.
Natürlich war ich auch bei den jungen Pionieren. Jungpionier mit Hemd und blauem Halstuch, darauf war ich stolz. Die hatten tolle Ferienlager. Einmal waren wir zum Beispiel in Polen an der Ostsee. Vier Wochen Zeltlager draußen in Kiefernwäldern direkt am Strand. Damals war das einfach nur toll. Ich müsste lügen, wenn ich etwas anderes sagen würde als: Ich habe nur gute Erinnerungen an meine Kindheit in der DDR. Vielleicht hatte ich einfach nur das Glück, erst nach der Wende erwachsen zu werden und gar nicht erst die Kollisionspunkte mit dem System, in dem ich damals lebte, herausfinden zu müssen. Grundsätzlich bin ich völlig unpolitisch – andere würden vielleicht naiv sagen. Aber ich halte es da lieber wie mein Opa, der immer gesagt hat: ›Du musst die Kraft haben, Dinge zu verändern, die du verändern kannst – und genauso viel Kraft, genau das bleiben zu lassen bei Dingen, die du nicht ändern kannst.‹ Damit bin ich immer gut durchgekommen.
Die Begeisterung für den Sport und fürs Technische, das ist auch jetzt noch mein Hauptinteressengebiet. Das liegt vielleicht auch in der Familie. Mein Vater steht heute noch stundenlang an der Werkbank in meinem Fahrradkeller, und dann basteln wir an den Rennrädern herum, bis alles wieder tipptopp dasteht. Diese technische Versessenheit, mit geringen Mitteln optimale Ergebnisse zu erzielen, das habe ich damals gelernt in der DDR. Kompromisse schließen, improvisieren, organisieren, auf Umwegen Lösungen finden und Mittel beschaffen, ein großer Freundeskreis, der hilft, und das Beste aus
einer Situation machen, die du eh nicht verändern oder rückgängig machen kannst. Nicht dauernd missmutig vergleichen und sich mit den gegebenen Verhältnissen arrangieren, das war der ganze Trick für das Leben in der DDR damals.
Weitere Kostenlose Bücher