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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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wünschen war nun mal nichts in Dresden im Jahr 1997 – da musste man schon zugreifen, wenn was kommt. Und so unterschrieb ich meinen Vierjahresvertrag und wurde Soldat der Bundeswehr. Zwölf Jahre war ich groß geworden mit der Panikmache vor dem Klassenfeind, der Propaganda vom antiimperialistischen Schutzwall, der uns zusammen mit der NVA und den Waffenbrüdern aus dem Warschauer Pakt vor einer »kriegslüsternen Bundeswehr« und der NATO schützen sollte – und jetzt war ich plötzlich Teil davon. Und das nur, weil ich eine Adresse verwechselt hatte.
    Weil ich bereits eine Ausbildung als Zahnarzthelferin hatte,
wurde ich gleich als Hauptgefreite eingestuft und bekam 2000 D-Mark netto im Monat. Das war richtig viel Geld, ich konnte es kaum fassen. Über 1000 D-Mark mehr, als ich in Dresden in meinem Beruf je bekommen hätte. Ich wollte richtig Karriere machen beim Bund. Auch ein Medizinstudium schien nicht ausgeschlossen, wenn ich das Abi nachmachen würde. Das wäre alles möglich, hatten die Berater gesagt. Monatelang schienen alle Türen in das Erwachsenenleben für mich verschlossen – und nun sah ich wieder eine strahlende Zukunft vor mir.
    Das war gut sieben Jahre nach der Wende, ich war 19. Ich war stolz, dass gerade ich es geschafft hatte, endlich, nach all den Niederlagen der vergangenen Monate. Ich sehe mich heute noch in diesem Abteil eines alten DDR-Regionalzugs sitzen, der mich auf holperigen Gleisen gemütlich zurück nach Hause, nach Dresden, schaukelt. Ich sehe ein glückliches Mädchen, das endlich seine Zukunft entdeckt zu haben glaubt, ein Mädchen, das endlich einen Platz gefunden hat in diesem neuen und oftmals immer noch fremden Deutschland.
    Die Grundausbildung
    Da wusste ich noch nicht, was mich erwartet. Meine dreimonatige Grundausbildung begann ich im Januar 1998 in Feldkirchen bei Straubing mitten im Winter. Und der Winter in Niederbayern ist heftig; es war trostlos, kalt und eintönig.
    Ich war einer gemischten Kompanie der Bundeswehr zugeteilt worden. Zum Grundwehrdienst gehörte auch die Ausbildung an der Waffe zur Selbstverteidigung. In unserem Zug gab es sechs Frauen und 35 Männer. Wir Frauen hatten eigene Schlafräume, Duschen und WCs, ansonsten wurden wir genauso hart behandelt wie die männlichen Rekruten. Die Grundausbildung war das Härteste, was ich bis dahin erlebt hatte. Ein
Kulturschock. Das Fehlen jeder Privatsphäre, permanenter Schlafmangel. 6 Uhr wecken, gebrüllte Befehle, eiskalte Kasernenflure, Exerzieren, Übungen, Dienstgrade auswendig lernen, Stuben- und Spindkontrolle, 16 Uhr 30 Abendessen. Nach dem ersten 30-Kilometer-Marsch hatten viele Blutblasen, und bei der Rückkehr fragte uns der Ausbilder: »Und wo sind die lachenden Gesichter?« Nach dem ersten Wochenende zu Hause stand ich vor dem Schaufenster in der »Rührt-euch«-Haltung, breitbeinig, die Hände auf dem Rücken und sage »jawoll« zu meiner Freundin, als die fragte, ob wir was essen gehen wollen. Die Bundeswehr begann zu wirken.
    Ich wusste, dass ich als Frau unter besonderer Beobachtung stand. Einige wollten uns Frauen scheitern sehen, und ich hatte mir vorgenommen, durchzuhalten und es ihnen nicht leicht zu machen. Von einigen Soldaten und Vorgesetzten, vor allem von den älteren, wurde ohne jede Begeisterung aufgenommen, dass jetzt auch Frauen in ihrer Kompanie waren. Aus den Spinden der Männer mussten die Pin-ups entfernt werden. Es gab plötzlich feste Duschzeiten, getrennt nach Geschlechtern. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass sich Feinrippunterhose und Slip auf dem Flur über den Weg liefen. In der Anfangszeit kam es auch vor, dass Frauen mit ihrem Make-up-Koffer nach dem Wecken quer über den Gang liefen, und darin waren nicht nur Zahnbürste und Kamm. Viele Rekrutinnen mussten sich erst daran gewöhnen, dass es außer Tarnfarbe kein Make-up braucht, wenn es ins Manöver geht. Auch stundenlanges Haarefönen kam nicht gut an.
    Einige der Frauen haben die Grundausbildung auch abgebrochen. Das war eine Bestätigung für die männlichen Spötter in der Truppe. Wir mussten Sprüche aushalten wie: »Die können ja nicht mal Auto fahren – wie sollen die einen Panzer führen oder ein MG bedienen?« Da musste Frau sich wirklich erst mal beweisen und sich Respekt verschaffen. Angebaggert
worden bin ich nie. Ich setze da immer schnell meine Grenzen und kann da auch mal etwas ruppig sein. Damit habe ich mir diese Probleme alle vom Leib gehalten. Ich habe abends auch wirklich an alles andere

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