Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
Vom Netzwerk:
hat sich in dieser Zeit große Sorgen um mich gemacht. Das ist immer so, wenn Mütter ihre Töchter ins Leben entlassen. Aber auch mein Vater hatte Bedenken, denn der kannte von der NVA her noch die Schleifermethoden beim Militär.
    Nach den drei Monaten Grundausbildung bin ich für drei Monate nach Leipzig ins Bundeswehrkrankenhaus und habe dort eine Ausbildung zur Schwesternhelferin gemacht. Ich war jetzt Soldat und habe im Bundeswehrsanitätszentrum in Bonn als Zahnarzthelferin meinen Dienst angetreten. In den Westen zu gehen war für mich keine leichte Entscheidung. Mir steckte die Grundausbildung noch in den Knochen – und jetzt gleich wieder so weit weg von zu Hause? Aber im Westen bekam man damals 250 Euro mehr als im Osten – dieser Unterschied war letztlich das Entscheidende. Sich von der Familie zu lösen kann ein sehr schmerzhafter Prozess sein. Für meine Eltern war es das. Als sie mich damals nach Bonn fuhren, haben wir kein Wort miteinander geredet, meine Mutter hat dauernd geweint. Sie ist nicht nur meine Mutter, wir sind füreinander
die besten Freundinnen. Bei uns im Osten hatten Familie und Freunde immer einen sehr hohen Stellenwert. Die Familie hielt zusammen, nicht der eine hier, der andere da, Hunderte Kilometer voneinander entfernt. Meiner Mutter war endgültig klar, dass es vorbei war mit unserer kleinen, heilen Familienwelt, dass die Familie nicht mehr zusammensein konnte und nichts mehr so sein würde, wie es früher mal war. Auch mir fiel die Trennung nicht leicht. Um ein bisschen Heimat in der Fremde zu haben, nahm ich auf Anraten meiner Mutter unseren Kater Zwerg mit.
    Das neue Leben in Bonn
    Das Leben in Bonn war wie eine zweite Grundausbildung. Ich war einsam und allein. Mit meinem sächsischen Dialekt hatte ich bei manchen Leuten auch gleich mal den Ossi-Stempel auf der Stirn. Wieder musste ich mich durchbeißen. Zum Glück hatte ich Kater Zwerg. Er strahlt eine unglaubliche Ruhe aus und sieht mit seinen Barthaaren und den langen Ohren aus wie eine Mischung aus Uhu und chinesischem Kung-Fu-Meister. Alle Katzenliebhaber schwören Stein und Bein, dass man sich mit Katzen lautlos unterhalten kann. Wer dafür ein Gespür hat, fängt automatisch an, in Gedanken mit seiner Katze zu reden. Kater Zwerg ist ein echter Philosoph. Er schaut einen an, und dann hört man das Yin und Yang fernöstlicher Weisheiten. Das kommt ganz von selbst, und es kehrt wieder Ruhe im Kopf ein. Kater Zwerg war mein Lebensanker in dieser Zeit. In meine Arbeit hatte sich schnell Routine eingeschlichen. Auch die Zusammenarbeit mit einigen Kollegen entwickelte sich so stressfrei, wie ich mir das gewünscht hatte. Ich bin ein geradliniger und kompromissloser Typ. Wenn es einen Befehl oder eine Vorschrift gab, dann galt es, das umzusetzen. Die ganze Bundeswehr basiert auf Vorschriften, das ist die Grundsubstanz,
die alles zusammenhält – jeder muss diese Spielregeln kennen und einhalten. Wer das beachtete, kam mit mir supergut klar. Aber es gab auch Quertreiber, und dann wurde ich laut. Meine Schwäche ist bis heute: Ich habe einen Perfektionsanspruch und werde schnell ungeduldig, wenn eine Sache sich nicht so entwickelt, wie ich mir das vorstelle. Ich kann schlecht delegieren und erledige deshalb alles am liebsten selbst. Andererseits bin ich ein harmoniesüchtiger Familienmensch. So stand ich oft einsam da: Wenn sich die untergeordneten Mannschaftsdienstgrade über mich unterhalten haben, hieß es: »Das ist vielleicht ein Drache! Wenn du mit der Dienst hast, o Gott!« Das war die eine Seite. Die anderen haben meist schnell festgestellt : Wenn einer seine Aufgaben zuverlässig erledigt, dann ist es gar nicht so schlimm, mit mir zusammenzuarbeiten. Unter diesem Qualitätsgesichtspunkt trennen sich dann eben die, die mich mögen, und jene, die mich nicht aushalten.
    Immer wieder bin ich zu Lehrgängen geschickt worden und habe mich weitergebildet. Im Juni 2000 entschied ich mich dazu, meinen Dienst als Zeitsoldat von vier auf acht Jahre zu verlängern. Am Ende meiner Zeit in Bonn war ich »Stabsunteroffizier im Sanitätsdienst (w)«; (w) steht für weiblich. So sah die offizielle Schreibweise in den an mich gerichteten Schreiben aus. Irgendein Schreibtischhengst hatte die Vorschrift erlassen, dass das Weiblich deutlich herauszustellen war. Ich empfand das (w) damals als diskriminierend. Aus meiner Sicht macht es keinen Unterschied, ob ein Offizier seine Frau oder seinen Mann steht. Hauptsache, der Offizier macht einen

Weitere Kostenlose Bücher