Wofuer wir kaempfen
das nicht einfach. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das zu verarbeiten. Ich habe Frauen erlebt, die brauchten Sex, um abzuschalten. Wir hatten Franzosen und Italiener im Lager. Junge, durchtrainierte Männer. Und natürlich reizt das die Fantasie, wenn man abends allein in diesem kargen Container liegt und wenige Meter weiter jemand atmet, der gerade genauso denkt, aber männlich ist. Das weckt Sehnsüchte auf beiden Seiten. Da waren einige dann sehr offen für neue Bekanntschaften. Die Liebe findet immer einen Platz, wo man zueinander finden kann. Manchmal war es nur hastige Liebe. Eine Liebe aber, die für wenige Momente Wärme gibt und abschalten hilft. Es muss jeder für sich wissen, ob das gut für ihn ist.
Viele Soldaten haben sich so kennengelernt, verliebt – und sind auch nach dem Einsatz ein Paar geblieben, das gab es gar nicht mal so selten. Andere sind schon als Paar in den Einsatz gefahren und man hat stillschweigend dafür gesorgt, dass die einen Container für sich alleine haben. Jeder konnte da mit dem Verständnis seiner Kameraden rechnen. Als höherer Dienstgrad hatte man sowieso einen Container für sich. Ansonsten sprach man sich eben ab. Meine Zimmernachbarin hatte damals auch einen SFOR-Freund aus Frankreich. Sie wusste, dass ich tagsüber im Dienst bin. Unseren Container konnte man abschließen. Und wenn ich doch mal kurz noch was holen wollte und es war abgeschlossen – dann war halt abgeschlossen, und jeder wusste, was Sache war.
In so einem Lager bleibt nichts geheim. Eine gute Quelle für Tratsch war unsere Lagerzeitung. Im Laufe des Tages war man ganz gut informiert, was wo so läuft. Die Stimmung war manchmal so aufgeladen, dass sich schnell Gerüchte entwickelten:
Die hat was mit dem und der mit der. Der übliche Tratsch, wie man das auch in Büros hat – aber hier unglaublich verdichtet auf engstem Raum, weil man eben 24 Stunden zusammen war. Da musste man als Frau ganz genau aufpassen, dass man nicht falsch eingeordnet wurde nach dem Motto: Da geht was. Bei mir lief da nichts. Ich war völlig fixiert auf Tino.
Alle Neuankömmlinge wurden besonders neugierig beäugt. Ich hatte damals meine ohnehin schon rötlichen Haare raspelkurz zu einem Mecki geschnitten und feuerrot eingefärbt. Ich war eine wandelnde Signalrakete. Rot für Angriff. Irgendwie war das auch die Kampfansage: »Hallo, Kamerad, hier bin ich – und an mir kommst du nicht so schnell vorbei!« Damit hatte ich meinen Spitznamen weg und hieß nur noch Die rote Zora , weil ich aus dem Osten kam, aus der »Zone«, wie ich auch immer wieder hören musste. Diesen Spitznamen bekam ich gleich am ersten Tag, als ich in die Kantine kam. Eigentlich aber ist die rote Zora eine Figur aus einem Kinderbuch der Vierzigerjahre, in dem ein rothaariges Mädchen an der kroatischen Adria eine Kinderbande gründet, um gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen. Genauso sah ich mich. Ich habe manchmal eine etwas zackige Art und komme auch mit Männern besser klar als mit tratschenden Frauen. Vielleicht lag es daran. Die rote Zora – das war ein Ausdruck von Respekt. Und daher habe ich dagegen auch nichts unternommen. Meine Freunde im Lager haben mich später alle so genannt.
Feldpost
In der ersten Woche in Bosnien habe ich an Tino nur hin und wieder gedacht, weil die Eindrücke, die auf mich einstürzten, alles Vergangene überlagerten. Irgendwann wurde mir klar, dass ich was tun musste, um den Kontakt zu ihm nicht abreißen zu lassen. Meine Verliebtheit war in Gefahr zu verblassen
– einfach durch Erschöpfung. Wir stellten bald fest, dass Telefonieren nur nach langwierigen Verabredungen möglich war. Aber es gab ja noch die Feldpost. Und so landeten jede Menge Briefe in Kabul, adressiert an
Fw Tino Käßner
FjgEinKp
ISAF AFG
D-64298 Darmstadt
Ich habe ihm in den letzten Wochen meines Auslandseinsatzes dann fast jeden Tag geschrieben, mit Absender
SU Rudolph, Antje
GECONSFOR(l) (BOH)
SanEinsVbd/Klinik-KP
Feldlager Rajlovac
– Feldpost –
64298 Darmstadt
Tino hat meine Briefe alle aufbewahrt und mir bei der Hochzeit zurückgegeben. Feldpostbriefe sind für uns Soldaten die wichtigste Brücke in die Heimat, zu den Menschen, die wir lieben. Hier können wir geschützt durch das Briefgeheimnis unseren Liebsten auch sehr intime Gedanken mitteilen, die man beim Telefonieren besser nicht äußert, weil andauernd Leute um einen herumstehen, die auf den nächsten frei werdenden Apparat warten. Das Telefon ist nur da, um
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