Wogen der Leidenschaft - Roman
sich verirrt.
Emma war ernsthaft versucht, es dabei zu belassen.
Es blieb beim Vorsatz… in Wahrheit lief sie eine der Forststraßen entlang, die ihren Anteil des Waldes wie ein Spinnennetz durchzogen, und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, warum sie diesen Beruf so liebte. Emma fand sich seufzend mit der Tatsache ab, dass sie, wenn sie Tom Jenkins gefunden hatte, lächelnd erklären würde, es wäre allein ihre Schuld, dass er sich verirrt hatte, worauf sie ihn sicher in seiner Hütte einquartieren würde.
Doch als sie um eine Kurve des Forstweges bog, blieb sie vor Überraschung wie angewurzelt stehen. Vier Männer, die sie für ihre Freunde gehalten hatte, prügelten auf ihren verirrten Gast ein.
Es war eine wüste Schlägerei mit zerfetzter Kleidung, blutigen Gesichtern und aufgewühltem Schotterboden. Das heftige Keuchen der Männer verriet, dass sie schon eine ganze Weile andauerte. Das ungünstige Kräfteverhältnis ließ nur einen Ausgang zu. Ihr verirrter Gast wurde von zwei stämmigen Holzarbeitern festgehalten, während der dritte versuchte, ihn bewusstlos zu schlagen.
Nur war der Mann nicht Tom Jenkins. Emma erkannte sofort, dass sich hinter dem vielen Blut, dem Bart und der Maske des Schmerzes jener Mann verbarg, den zu töten sie sich geschworen hatte, wenn sich jemals die Chance ergab.
Er hätte nicht hier sein dürfen, nicht in ihrem Wald, und er hätte diesen schönen Oktobernachmittag nicht zu einem weiteren schwarzen Tag in ihrem Leben machen sollen. Sogar die Sonne hatte sich hinter einer Wolke verzogen. Das Frösteln, das sie jetzt überlief, hatte nichts mit der Temperatur zu tun.
Er war sechzehn Jahre älter als damals, doch sie hätte ihn mitten in einem Blizzard bei null Sichtweite erkannt. Er war größer, seine Schultern waren breiter, doch er war es. Und selbst in der Gewalt zweier kräftiger Holzfäller wirkte der Mann ihrer Albträume gefährlicher als ein in die Enge getriebener Wolf.
Benjamin Sinclair war wieder da.
Wieder landete ein Hieb auf seinem schutzlosen Oberkörper. Sein dumpfer Schmerzenslaut ließ Emma zusammenzucken.
Emma nahm ihre Flinte von der Schulter, löste die Sicherung und drückte ab.
Ein hallender Schuss, eine Lawine prasselnder Schrotkugeln, und die allgemeine Aufmerksamkeit galt ihr. Drei Männer ließen sich zu Boden fallen, ihr Opfer sank auf die Knie. Der Mann mit den prügelnden Fäusten fuhr mit vor Schreck geweiteten Augen herum. Emma nahm den Moment wahr, als er sie erkannte, weil seine Miene sich verdunkelte und sein Schock sich in einen wilden Blick verwandelte.
» Verdammt, Emma. Warum schießt du auf uns?«
» Durham, ich sorge dafür, dass dein Privatkrieg vertagt wird.«
Durham Bragg spuckte vor Benjamin Sinclair aus, der sie wie benommen anstarrte. Seine blutigen Züge konnten von seinem entsetzten Blick nicht ablenken. Seine übrigen Angreifer lagen wie umgestürzte Kegel um ihn herum und spähten mit aufgerissenen Augen unter ihren Armen hervor, die sie als Deckung über ihre Köpfe hielten. Emma blickte Durham an und wartete mit der Geduld des erfahrenen Jägers.
Ihr alter Freund knurrte einen Fluch, den sie nicht mehr gehört hatte, seit ihr Vater tot war.
» Verdammt, Emma Jean! Wenn du neutral bleiben willst, hältst du dich hier raus. Wir haben mit diesem Baumschützer ein Wörtchen zu reden, ehe wir ihn zu seinen Kumpanen zurückschicken.« Durham wandte sich wieder seinem Opfer zu.
Emma schob eine neue Schrotladung nach und hob den Lauf, als die drei anderen Männer Anstalten machten aufzustehen. Sofort ließen sie sich wieder fallen.
» Er ist kein Umweltschützer, Durham. Er ist einer meiner Gäste. Er hat zwei Wochen Waldhuhnjagd gebucht.«
Durham fuhr blitzschnell herum und sah sie an.
» Emma! Sieh ihn doch an– seine Aufmachung sagt alles. Und ich schwöre, dass ich sein Gesicht schon irgendwo gesehen habe, wahrscheinlich auf einem dieser verdammten Greenpeace-Poster.« Durham deutete auf den Mann, der auf seinen Knien schwankte.
» Der Kerl sieht aus wie aus einem Katalog für Freizeitkleidung.«
» Er heißt Tom Jenkins«, sagte Emma.
» Stanley Bates hat ihn am Painted Rock aussteigen lassen und ihm den Weg nach Medicine Creek Camps beschrieben.«
Durham warf dem knienden Opfer einen zögernden Blick zu.
» Bates könnte nicht mal einer verdammten Brieftaube den Weg beschreiben«, sagte er mit enttäuschtem Knurren. Er strich sich seufzend über die Stirn.
» Der Teufel soll mich holen, aber ich
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