Wogen der Liebe
hatte, um sie weiter zu putzen, sprang auf. Wütend riss sie ihre Schwester an den Haaren.
»He, lass das«, kreischte Halveig auf. Sie packte den Butterstößel und schlug damit auf Dalla ein. Diese schlug zurück, trat mit dem Fuß und traf das Butterfass. Es kippte um, die Milch ergoss sich über den Boden.
Die anderen Mägde griffen nicht ein. Die beiden Björgolf-Schwestern waren ihnen verhasst. Dass sie nun ebenfalls schmutzige Arbeit verrichten mussten, war nur ausgleichende Gerechtigkeit.
Der Lärm riss Gunnardviga aus ihren Gedanken. Sie eilte in den Mittelraum und stand mit den Füßen in der Milch. »Ihr nichtsnutzigen, keifenden Hexen«, schrie sie. Die Rute lag in ihrer Reichweite. Ohne zu zögern, schlug sie damit auf die beiden ein. Augenblicklich ließen sie voneinander ab, um nun auf Gunnardviga einzuschlagen. Ihr glitzerndes Diadem mit den spiegelnden Plättchen fiel ihr aus dem Haar, ihr Pelzumhang schleifte in der verschütteten Milch, und mit einem lauten Ratschen zerriss ihr Kleid. Für einen Moment war sie zu überrascht, um reagieren zu können. Noch nie hatte sie jemand geschlagen, abgesehen von ihrem Bruder in tiefsten Kindertagen. Aber als sie älter wurde, war ihr der Bruder körperlich unterlegen gewesen, was sie gnadenlos ausgenutzt hatte. Seitdem hielt Asgeir immer sicheren Abstand zu ihr. Es war aber ein Unding, dass sie jemand vom Gesinde angriff. Schließlich gab es eine klare Hierarchie, die solche Übergriffe streng bestrafte.
»Was – erlaubt – ihr – euch«, tobte sie. Bei jedem Wort schlug sie mit der Rute zu. Doch Dalla entriss ihr den Weidenzweig. Im Ringen stürzten beide zu Boden, wälzten sich in der mittlerweile schmutzigen Milch. An Gunnardviga blieb nichts Hoheitsvolles. Ihr Haar löste sich in wirre Strähnen auf, ihre Kleider wurden nass und schmutzig, ihr zornrotes Gesicht bekam schwarze Schlieren. Dann blutete sie aus ihrer aufgeschlagenen Lippe. Mit den Fäusten setzte sie sich zur Wehr.
Keine der umstehenden Mägde griff ein. Sie starrten auf die wüste Prügelei, ungläubig, dass sie so etwas auf Grondalr erleben durften.
In diesem Moment trat Asgeir zur Tür herein.
[home]
Feuer am Himmel
B ei Odin, das ist verrückt! Ja, du bist verrückt!« Raudaborsti starrte auf den Grabhügel. »Du wohnst wirklich da drin?«
»Komm mit, schau es dir an«, forderte Viviane sie auf.
Raudaborsti blieb wie angewurzelt stehen. »Niemals«, widersetzte sie sich entschieden. »Da hausen Trolle und die Geister der Toten.« Sie blickte Viviane von unten herauf an. »Aber du lebst. Das ist wirklich ein Wunder.«
»Ist es nicht«, widersprach Viviane. »Dieser Grabhügel hat mich gerettet. Die Verfolger haben sich nicht hierhergetraut.« Sie stockte. »Eigentlich war es Oleif, der mir die Fußfesseln zerschnitt und mir die Flucht ermöglichte.« Sie schluckte schwer. »Er ist sicher auch tot.«
Raudaborsti schwieg und senkte den Kopf, doch dann zog sie unter ihrem Fell einen Brotfladen hervor. »Du hast bestimmt Hunger.«
Viviane wollte ablehnen. »Es ist deine Wegzehrung. Sag mal, wo kommst du denn eigentlich her? Und wieso bist du hier?«
Raudaborsti drückte ihr das Brot in die Hand. »Ich habe es für dich mitgebracht. Du hast bestimmt kein Brot hier.«
»Stimmt. Aber woher weißt du …«
Die Kleine seufzte laut und ließ mit einer komischen Bewegung die Arme fallen. »Ich habe dich gesucht.«
»Dann wusstest du, dass ich lebe?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe es gehofft. Yngvar erzählte, du hättest in einem Grabhügel übernachtet, als du auf der Suche nach ihm warst.«
»Yngvar? Er lebt?«
»Ja, ja, er lebt. Und er hat erzählt, wie es sich wirklich zugetragen hat mit dem Bär, der Höhle, und wie er nach Skollhaugen kam.«
»Das ist ja nun wohl alles zu spät. Ich habe gesehen, wie Björgolf getötet wurde. Und ich war sicher, auf Skollhaugen hat auch niemand überlebt. Ach, ich bin ja so glücklich, dass du lebst!«
Sie schloss Raudaborsti in die Arme und drückte sie ganz fest an sich. Raudaborsti drückte Viviane ebenfalls.
»Du bist tatsächlich noch ein Mensch, kein Geist«, meinte sie schließlich. »Könnte ja sein, in diesem Grab …«
Viviane lachte auf. Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass sie wieder lachen konnte.
»Unsinn! Es ist tatsächlich ein Grab, und die Grabbeigaben haben mir das Überleben gesichert. Es war allerdings nicht üppig, und Brot gab es auch nicht.«
»Dann iss endlich. Du brauchst
Weitere Kostenlose Bücher