Wogen der Liebe
Milcheimern herein. Gleichzeitig wehte ein beißender Geruch vom Stall herüber. Im Dämmerlicht standen über dreißig wohlgenährte Kühe und Ochsen, dazu Ziegen, Schafe und Schweine. Zusammen mit den fast sechzig Rindern, zweihundert Ziegen und Schafen und den Schweinen von Skollhaugen wäre Gunnardviga die reichste Frau von ganz Nordland gewesen. Doch das war ihr nicht genug gewesen. Halveig keuchte. Sie war es nicht gewohnt, derart schwere körperliche Arbeit zu verrichten. Auch sie war wütend und maßlos enttäuscht. Im Gegensatz zu Dalla hütete sie jedoch ihre Zunge, um Gunnardvigas Zorn nicht herauszufordern. Und Gunnardviga schien es zu genießen, die Schwestern zu schikanieren. Nie war sie mit deren Arbeit zufrieden, immer mehr gab sie ihnen auf, und sie schreckte nicht davor zurück, sie auch zu züchtigen.
Halveig sah Gunnardviga mit erhobener Rute neben Dalla stehen. »Bitte nicht«, flüsterte sie.
»Dann bring deine Schwester dazu, sich zu fügen und mir nicht zu widersprechen, sonst wird es ihr schlecht ergehen.«
Zum Glück für Dalla ließ Gunnardviga die Rute sinken. Auf dem Hof hatte es laut gekracht, zwei Ochsenkarren waren zusammengestoßen.
Gunnardviga raffte ihre Röcke und eilte hinaus. »Diese Tölpel, diese Nichtsnutze! Denen werde ich ihre Ungeschicklichkeit austreiben.« Mit der Rute schlug sie auf die Knechte ein, die vergebens versuchten, die beiden verhedderten Ochsengespanne wieder voneinander zu trennen. Die Schläge trugen nicht dazu bei, das Chaos zu entwirren.
»Bin ich froh, wenn ich endlich an den Hof Ragnvalds übersiedeln kann und mich nicht mehr mit solchen niederen Arbeiten beschäftigen muss. Ich will endlich das Leben einer Fürstin führen, wie es mir gebührt. Und wo steckt mein nichtsnutziger Bruder? Soll er sich um dieses Pack kümmern.«
Sie warf die Rute in den Schlamm auf dem Hof und eilte zurück ins Haus. Wütend riss sie die Decken und Felle im Durchgang zur Halle herunter.
»Richtet mir den Thron her und feuert die Schale in der Halle an, damit ich es warm habe«, befahl sie den Schwestern.
»Welchen Thron denn?«, fragte Dalla und erhielt eine schallende Ohrfeige von Gunnardviga.
Es gab keinen Thron in der Halle, aber einen einfachen Stuhl. Halveig beeilte sich, drapierte Decken und Felle darauf, schmückte sie mit farbigen Bändern und Kordeln aus Gunnardvigas Truhen. Sie legte sogar ein Lederkissen auf den Boden. Dalla brachte Glut aus der Feuerstelle des Mittelraumes in einer eisernen Schale und stellte sie in einen Ständer. Sie legte zwei Holzstücke darauf.
»Kohle, leg Kohle auf«, forderte Gunnardviga.
»Aber die ist kostbar«, wandte Halveig ein, presste gleich darauf die Lippen zusammen. Es stand ihr nicht zu, Gunnardviga zu kritisieren. Außerdem war es Gunnardvigas Kohle, die mit Gold aufgewogen wurde. Im Lande Vik gab es keine schwarzen Steine, die brennen konnten, aber in den langen kalten Wintern wusste man sie an den Fürstenhöfen zu schätzen. Allerdings nur an den reichen Fürstenhöfen. Die Kohle wurde übers Meer gebracht aus Ländern, wo man sie aus der Erde grub. Thoralf hatte dafür kein Verständnis gehabt, derart wertvolle Steine einfach zu verbrennen. »Dazu gibt es genügend Holz in den Wäldern. Man muss es nur schlagen und heranschaffen.«
Allerdings hatte Gunnardviga festgestellt, dass dieses schwarze Kohlegestein die Wärme wesentlich länger und besser hielt als Holz. Es würde jedoch eine Weile dauern, bis es in der Halle leidlich warm werden würde. Mit einer Handbewegung forderte sie Halveig auf, ihr einen Pelzumhang umzulegen. Jetzt fehlten nur noch die Menschen, die sie bewunderten. Doch niemand war da. Es wurde Zeit, dass sie endlich nach Bleytagarðr übersiedelte. Mochte sich Asgeir weiter mit dem Hof Grondalr herumplagen.
Sie lehnte sich zurück und streckte wohlig die Beine aus. Sie hatte etwas Zeit benötigt, um der plötzlichen Wendung ihres Schicksals eine positive Seite abzugewinnen. Ihr war natürlich nicht entgangen, dass Hoskuld ein Auge auf sie geworfen hatte, doch lange hatte sie seine ungeschickt vorgetragenen Huldigungen ignoriert. Hoskuld war ein Großmaul, ein Blender und Feigling. Er fuhr nicht auf Víking, handelte nicht mit kostbaren Waren, er hatte keine Schlacht gewonnen, und auch sonst tat er nicht viel, was ihm Ruhm und Ehre einbringen würde. Ragnvald war ein willensstarker Mann und sehr reich. Doch es war nicht abzusehen, wann er einmal seinem Sohn das Feld räumen würde. Noch war
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