Wogen der Liebe
Flucht im Moor versunken. Doch wer sollte gegen ihn Anklage erheben?
Gunnardviga hatte mit all diesen Dingen gar nichts zu tun. Sie beugte sich nur der Übermacht. So jedenfalls stellte sie es dar, so redete sie es sich selbst ein, und sie fand, dass diese Lösung nicht die schlechteste war. Außerdem erfüllte es sie mit einer gewissen Genugtuung, dass Thoralfs Schwestern als Gefangene in Ragnvalds Besitz gekommen waren. Hoskuld hatte ihr die Sklavinnen zum Geschenk gemacht. Das war nichts Wertvolles, aber sie war trotzdem erfreut darüber. Sie hatte diese beiden Gänse nie leiden mögen. Jetzt bekam sie die Gelegenheit, sich an ihnen zu rächen. Sie hatte nicht vergessen, wie die beiden damals zu ihr gekommen waren und von Viviane berichtet hatten. Natürlich hatte Gunnardviga bemerkt, dass sie die rothaarige Fremde gern losgeworden wären, letztlich sollte jedoch Gunnardviga das erledigen. Nur Dallas unbeherrschtem Verhalten hatte sie es zu verdanken, dass es doch anders gekommen war. Gunnardviga wollte ihre Hände nicht in Blut baden. Andererseits hätte sie wohl alles getan, um eine lästige Konkurrenz auszuschalten. Die Verurteilung und die Opferung im Moor waren für alle die beste Lösung. Allerdings konnte sie sich nicht entsinnen, Viviane tatsächlich im Moor versinken gesehen zu haben. Das Durcheinander war zu groß gewesen. Aber niemand hätte entkommen können, und wenn doch, dann gab es keinen Ort, wohin sie hätte flüchten können. Der Winter war mit ihr, mit Gunnardviga.
Sie zog den Pelzumhang fester um ihre Schultern. Sie mochte den Winter eigentlich nur, weil sie ihre wertvollen Pelze tragen konnte. Jedermann sollte sehen, wie wohlhabend sie war.
Nun würde sie also Hoskuld zum Mann bekommen. Einen flüchtigen Moment überlegte sie, wie es sein würde, mit Hoskuld das Lager zu teilen. Mit Thoralf stellte sie es sich wesentlich aufregender und prickelnder vor. Aber das Leben bestand nicht nur aus Nächten. An den Tagen wollte sie Fürstin sein, ihren Reichtum zur Schau tragen und ein angenehmes Leben führen. Das aufkommende Bedauern unterdrückte sie. Hoskuld war wesentlich leichter zu beeinflussen, sie konnte ihn nach ihrem Willen tanzen lassen, da war sie sich sicher.
Dalla und Halveig kehrten an ihre Arbeit im Mittelraum zurück. »Du redest dich noch um Kopf und Kragen«, zischte Halveig. »Und mich dazu.«
»Sie behandelt uns wie Sklavinnen«, empörte sich Dalla.
»Das sind wir ja nun auch«, erwiderte Halveig.
»Ich finde mich aber nicht damit ab. Thoralf wird kommen und uns befreien.«
»Wer weiß, wann er kommt und ob er überhaupt wiederkommt. Eirik ist damals auch nicht zurückgekehrt.«
»Thoralf kommt wieder, das weiß ich bestimmt. Er wird sich rächen, an Ragnvald, an Hoskuld, an Asgeir und auch an Gunnardviga.«
Halveig schüttete die Milch ins Butterfass. Ihre Hände schmerzten vom Melken, doch wenn sie mit dem Butterstößel stampfen musste, würde es noch schlimmer werden. Blasen und Schwielen hatten sich auf ihren Handflächen gebildet.
»Thoralf wird wissen wollen, was geschehen ist. Dann müssen wir ihm auch erzählen, dass Viviane recht gehabt hat.«
»Erinnere mich bloß nicht an die«, grollte Dalla. »Ich mochte sie nicht leiden. Dass sie auch noch recht hatte mit ihren Verdächtigungen, finde ich schrecklich.«
Halveig nickte »Thoralf wird uns zürnen, dass wir ihr nicht geglaubt haben.«
»Ist das ein Wunder? Sie war eine Sklavin!«
»Das sind wir jetzt auch. Ob er uns deswegen nicht glauben wird?«
»Unsinn! Wir sind seine Schwestern. Das ist etwas ganz anderes.«
»Das finde ich nicht. Viviane war auch einmal frei.«
»Nun nimm sie auch noch in Schutz«, erregte sich Dalla. »Sie wollte Thoralf für sich haben. Das konnten wir doch nicht zulassen.«
»Was haben wir denn nun davon? Vater ist tot, Mutter ist tot, Yngvar ist tot, wir sind versklavt, Skollhaugen liegt in Schutt und Asche.«
»Warum erinnerst du mich daran? Du hättest es doch verhindern können. Dein Wort hat bei Mutter immer mehr Gewicht gehabt als meins.«
»Du hast Mutter bedrängt, Viviane verschwinden zu lassen. Du wolltest ihr eigenhändig die Augen ausstechen.«
»Hätte ich es nur getan, dann wäre es nicht so weit gekommen.«
»Nein, wenn du nichts getan hättest, wäre es nicht so weit gekommen. Du warst diejenige, die immer wieder gegen Viviane gehetzt hat.«
»Also bin ich daran schuld, dass Skollhaugen überfallen wurde?«
Dalla, die sich vor die Pfanne gekniet
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