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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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niemand. Das Manövrieren des Schiffs nahm alle Männer in Anspruch.
    Die See war immer noch unruhig, das Schiff schaukelte. Über ihrem Kopf knatterte das Segel, und der Drachenkopf am Bug schaukelte auf und nieder. Es war eine eintönige Fahrt, doch Viviane war froh. Ein erneuter Überfall wäre eine Katastrophe. Der Schock saß ihr noch in den Knochen, all der Waffenlärm, das Gebrüll, die Toten und Verwundeten erinnerten sie wieder an das, was daheim auf ihrer Insel geschehen war. Damals war Thoralf mit seinen Männern der Angreifer gewesen. Jetzt war er das Opfer gewesen. Doch wer war Freund, wer Feind? Sie konnte es nicht beantworten.
    Nach einem prüfenden Blick kroch sie unter den Stoff zu Käre. Er wandte ihr den Kopf zu und lächelte. »Danke«, flüsterte er. Sie lächelte zurück. Bei Tageslicht besehen, war Käre ein hübscher Junge. Er hatte honigblondes Haar, das ihm bis auf die Schultern reichte. Er trug einen grob gewebten Kittel mit einem Lederwams darüber. Seine Hosen waren zerrissen, seine Füße nackt. Das Wams bestand aus minderwertigem Leder, durchlöchert, die Nähte ausgerissen. Wahrscheinlich hatte er es sich selbst angefertigt.
    »Besitzt du keine Waffe?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mein Messer verloren. Die Axt ist wohl im Meer versunken.«
    »Hast du einen Menschen getötet?«
    Er verzog den Mund. »Du fragst komische Dinge.« Dann überlegte er. »Eigentlich noch nicht. Bislang habe ich nur auf dem Schiff gearbeitet. Als Schiffsjunge sozusagen.«
    »Und darüber bist du traurig?«
    »Nicht traurig. Aber was ist das für ein Wikinger, der noch keinen Feind getötet hat?«
    »Muss man jemanden töten, um ein Mann zu sein?«
    »Aber ja! Jetzt verachtest du mich sicher, nicht wahr?«
    »Nein, im Gegenteil! Ich bin froh, dass du niemanden getötet hast.«
    »Du bist ein seltsames Mädchen. Woher kommst du?«
    Viviane zuckte mit den Schultern. »Von einer Insel. Aber ich weiß nicht, wo sie liegt. Unser Dorf wurde von denen überfallen.« Sie deutete mit dem Kopf nach hinten. »Und dann haben sie uns nach Ribe gebracht und auf dem Sklavenmarkt verkauft.«
    »Wieso bist du dann noch hier? Haben sie keinen Käufer für dich gefunden?«
    »Doch, aber ich wollte nicht dortbleiben. Da hat mich Thoralf zurückgekauft.«
    »So etwas habe ich noch nie gehört. Du hast dich wirklich gegen deinen neuen Besitzer gewehrt?«
    Viviane nickte, während Käre ungläubig den Kopf schüttelte.
    »Was willst du nun tun?«, wollte Viviane wissen. »Irgendwann wird dich Thoralf entdecken.«
    »Ich weiß mir schon zu helfen. Nur Essen und Wasser musst du mir bringen.«
    »Muss ich das? Ich kann dich an Thoralf verraten.« Sie bemerkte das Entsetzen in Käres Gesicht. »Nein, das werde ich nicht tun«, lenkte sie schnell ein. »Aber du darfst dich nicht vom Fleck rühren.«
    Käre grinste schief. »Wärmst du mich?«
    Viviane überlegte kurz, dann rückte sie näher an ihn heran. »Du hast heute Nacht an meiner Schulter geschlafen.«
    »Tatsächlich? Ich hatte gute Träume.«
    »Das freut mich.«
    »Überhaupt habe ich lange nicht so gut geschlafen wie neben dir.«
    »Bilde dir darauf bloß nichts ein. Ich bin dazu erzogen worden, Menschen in Not zu helfen. Ich bringe dir Essen und verrate dich nicht. Mehr kann ich für dich nicht tun.«
    »Doch, mich wärmen. Das hat schon lange niemand mehr für mich getan.«
    »Wenn du auch raubend und plündernd übers Meer ziehst, wer soll dann gut zu dir sein?«
    Käre überlegte. »Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Weiber haben mich nie interessiert.«
    »Aber zum Füttern und Wärmen sind sie gut, nicht wahr?«
    »Da hast du recht. Das werde ich mir merken.«
    Viviane rückte wieder ein Stück von ihm ab. »Du bist ganz schön eingebildet, du großer Wikinger. Jetzt musst du dir einen neuen Herrn suchen. Warum fragst du nicht Thoralf, ob er dich als Schiffsjungen nimmt?«
    Käre riss entsetzt seine blauen Augen auf. »Was redest du da? Thoralf würde mich sofort über Bord werfen. Außerdem will ich bald mein eigenes Schiff haben und auf Víking fahren.«
    Viviane presste die Lippen zusammen. Hatte sie gedacht, sie könnte Käre umstimmen? Er war ein Wikinger, und die hatten andere Vorstellungen von Leben, Glauben, Ehre und Tod.
    »Ich setze mich lieber draußen hin, falls Thoralf mich sucht.« Sie ließ Käre verstimmt in seinem Versteck zurück.
    Am Nachmittag beruhigte sich das Wetter, die Sonne kam hinter den grauen Wolken hervor. Viviane hob das

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