Wogen der Liebe
bekommst keinen Ärger mit deinem Lehrmeister.«
»Bestimmt nicht«, erwiderte Oleif. »Auch wenn du nur eine Sklavin bist, ich finde es wichtig, dass die Götter dich beschützen.«
»Ach, hier bist du.« Raudaborsti hüpfte über die Metallspäne, die sich neben Oleifs Arbeitsplatz angesammelt hatten. Wehe, wenn sie sich in die Fußsohlen bohrten! Sie rümpfte die Nase. »Kein guter Ort für eine junge Dame«, grinste sie.
»Verschwinde, du rothaariger Troll!« Oleif drohte Raudaborsti mit der Faust.
Sie zog Viviane am Arm. »Der haut wirklich zu«, flüsterte sie.
Sie liefen zurück zur Hütte. Dort wartete immer noch ein Berg von fettiger Wolle auf sie. Sie hockten sich nieder und begannen wieder, die Locken zu zupfen und von Verunreinigungen zu befreien.
»Oleif hat mir von euren Göttern erzählt«, begann Viviane.
»So, so.« Raudaborsti blickte nicht auf. »Der macht sich nur wichtig. Zwar ist er ein Freier, aber als Lehrling des Schmieds ist er zu Gehorsam und Respekt verpflichtet.«
»Aber sicher nicht den Sklaven gegenüber.«
»Nein, natürlich nicht. Er ist eigentlich ein netter Kerl. Früher hat er mich immer verprügelt, wenn ich ihm etwas geklaut habe.«
Viviane schüttelte lachend den Kopf. »Dann hast du die Prügel verdient.«
»Nein, ich war nur nicht schnell genug. Heute würde er mich nicht mehr kriegen.« Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und hinterließ einen fettig glänzenden schmutzigen Streifen. »Aber ich klaue ihm auch nichts mehr. Wir bekommen wirklich ausreichend zu essen.«
Eine Weile arbeiteten sie schweigend. »Die Götter musst du fühlen«, fuhr Raudaborsti plötzlich fort. »Und du musst sie fürchten. Sie sind mächtig, machen Wind und Donner, lassen die Früchte auf den Feldern wachsen und machen, dass die Tiere Junge bekommen. Wenn sie wollen, können sie auch alles wieder zerstören. So ist das eben.«
»Kennst du Thoralf schon lange?«, wollte Viviane wissen.
»So lange, wie ich auf Skollhaugen bin«, erwiderte Raudaborsti. »Mein ganzes Leben lang.«
»Wie alt bist du?«
»Weiß ich nicht. Ich kann nicht zählen. Doch! Eins, zwei drei, vier, viele. Ich bin viele Jahre alt.«
»Erzähl mir von Thoralf. Wie ist er, wenn er nicht auf Víking fährt?«
»Wie soll er schon sein? Er ist ein Fürstensohn, stolz und ehrenhaft. Björgolf hat ihn schon zeitig aufs Meer hinaus mitgenommen. Ich weiß noch, als er sein erstes Schiff bekam. Da wurde ein großes Fest auf Skollhaugen gefeiert. Eines Tages kehrte Björgolf zurück und hatte nur noch ein Bein. An diesem Tag hat Thoralf das Kommando über die Schiffe übernommen.«
»Er muss ein grausamer und böser Mensch sein, wenn er andere überfällt, beraubt und tötet. Und er ist auch noch stolz darauf.«
Raudaborsti schüttelte heftig den Kopf. »Er ist nicht böse. Er ist auch nicht grausam. Er hat noch nie einen der Sklaven geschlagen. Er schlägt nicht einmal einen Ochsen. Was wertvoll ist, muss man gut behandeln, sagt er immer. Frau Astrid achtet darauf, dass alle Leute auf dem Hof ordentlich gekleidet sind. Zu Mittsommer bekommen alle ein Stück Stoff für ein neues Kleidungsstück.«
»Und seine Braut? Warum wirbt er um sie, wo sie ihm doch als Kind versprochen wurde?«
»Du hast wirklich keine Ahnung von unseren Sitten«, stellte Raudaborsti kopfschüttelnd fest und streckte ihre dünnen Beine aus. »Gunnardvigas und Björgolfs Familien gehören zu den edelsten der ganzen Gegend. Alle besitzen viel Land. Gunnardvigas Vater Eirik fuhr immer in ein fremdes Land, das von großen Flüssen durchzogen war und Rus heißt. Man erzählt, dort leben wilde Menschen mit Gesichtern wie der Mond so rund und Augen wie die Schlitze in den Tontöpfen. Außerdem haben sie schwarzes struppiges Haar, als hätten sie im Feuer gelegen.«
Ärgerlich zog sie die Augenbrauen zusammen, als sie Vivianes skeptische Miene bemerkte.
»Das habe ich selbst gehört, als Eirik von einer dieser Fahrten zurückkam. Er erzählte, dass sie Blut trinken.«
»Bei Gott, warum fährt er denn da hin?«
»Diese Wilden handeln mit den herrlichsten Pelzen, die man je gesehen hat. Solche, wie Thoralf Gunnardviga einen geschenkt hat. Es gibt sie in den seltsamsten Farben, weiß, golden, blau und sogar silbern.« Raudaborsti seufzte. »Nun fährt er nicht mehr hin.«
»Warum nicht?«
»Weil er von der letzten Fahrt gar nicht wiedergekommen ist. Die Wilden haben ihn wohl aufgefressen.«
Viviane stockte der Atem. »Das ist ja
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