Wogen der Liebe
Gehöfts, dorthin, wo sich das Lagerhaus für die Waffen befand. Ein Teil der Beute war auch dort untergebracht.
Ohne daran zu denken, wie gefährlich das war, folgte Viviane ebenso lautlos der dunklen Gestalt. Inzwischen kannte sie den Hof Björgolf Einbeins gut genug, um sich im Dunkeln orientieren zu können. Zu oft hatte Truud sie zu den Hütten geschickt, um Lebensmittel, Werkzeuge oder Zubehör zu holen oder wegzubringen. Manchmal hatte Viviane dabei an Flucht gedacht. Irgendetwas hielt sie jedoch zurück.
Ihr stockte der Atem, als die Gestalt stehen blieb. Eine zweite gesellte sich hinzu. Beide unterhielten sich flüsternd. Augenblicklich kam Viviane ihr beängstigender Traum wieder in Erinnerung. Es schien sich alles zu wiederholen. Fehlte nur noch, dass eine dritte …
Den verwachsenen Körper von Asgeir erkannte sie sofort. Gemeinsam machten sie sich am Schloss des Lagers zu schaffen. Also doch! Ganz sicher wollten die drei etwas entwenden. Doch die Männer waren reich. Hatten sie es nötig, Björgolf zu bestehlen? Damit verstießen sie gegen das Gastrecht. Viviane sollte Björgolf und Thoralf wecken und sie auf das seltsame Geschehen aufmerksam machen.
Doch was ging sie das an? Wieso sollte sie Thoralf helfen, der doch so viel Leid über ihr Dorf gebracht, so viele Menschen getötet, so viel geraubt hatte? Hatte Thoralf Mitleid mit ihr gehabt? Sie erinnerte sich, wie Thoralf sie nach dem Überfall aus dem Meer gefischt und auf sein Schiff gezogen hatte. Sie wäre unweigerlich ertrunken.
Lautlos entfernte sie sich, lief zum Haupthaus. Vor der Tür verharrte sie unschlüssig. Was hatte Raudaborsti gesagt? Es würde Aussage gegen Aussage stehen. Wem würde man mehr glauben?
Sie drehte sich um und ging schnurstracks zur Hütte zurück. Dann kroch sie unter die Decke und kuschelte sich an Raudaborsti. Sie verstand nicht, was um sie herum geschah. Und es ängstigte sie.
[home]
Thoralf
B ald schon zog der Alltag wieder auf Skollhaugen ein. Die Mägde, Knechte und Sklaven gingen ihrer täglichen Arbeit nach. Die Männer fällten Bäume und besserten die Dächer und den Palisadenzaun aus, die stattliche Kuhherde wurde auf die Wiesen vor dem Tor getrieben, Mägde molken die Ziegen und stellten Käse her, mahlten Korn mit schweren Mahlsteinen zu Mehl und buken Brot. In der Hütte der Frauen hockten sie am Webstuhl oder spannen Wolle. Raudaborsti musste Schafwolle zupfen. Eine Zeitlang half Viviane ihr dabei. Truud teilte ihr nur niedere Arbeiten zu. Viviane war darüber nicht traurig. Außerdem genoss sie Raudaborstis Nähe. Die Kleine wusste lustige Dinge zu erzählen, hatte meist gute Laune und verriet Viviane so manchen Trick, das Leben auf Skollhaugen erträglich zu gestalten.
Die meisten Gäste waren wieder abgereist, auch Thoralfs Männer hatten sich mit ihrem Teil der Beute verzogen. Von Raudaborsti wusste sie, dass die Männer häufig Familien hatten, die auf den vereinzelt liegenden Gehöften lebten. Die warteten oft ein Jahr und länger auf ihre Männer. Die Beute trug zum Wohlstand bei. Von großem Wohlstand konnte man aber bei den meisten dieser seefahrenden Bauern nicht sprechen. Die Frauen hüteten das Haus, versorgten das Vieh und bestellten kleine Felder, die gerade so das Überleben der Familien sicherten. Da war die Beute aus den Fahrten eine willkommene Ergänzung.
Durch die Türöffnung konnte Viviane einen Teil des Hofs überblicken. Sie sah Thoralf, wie er umherlief, alles inspizierte, kontrollierte, mit den Männern sprach. Viel Wert legte er auf den Zustand der Palisaden. Schutz war wichtig, zumal der Hof nun viele weitere Schätze beherbergte.
Auch Gunnardviga war abgereist. Seltsamerweise stellte sich bei Viviane eine gewisse Erleichterung ein. Sie fand, Thoralf verstellte sich vor Gunnardviga, plusterte sich auf wie ein Birkhahn, wollte ihr imponieren. Und Gunnardviga forderte Thoralfs Balzverhalten heraus. Jetzt gab sich Thoralf anders. Er lachte, scherzte, packte mit an, um die schweren Baumstämme an ihren Platz zu bringen. Er ließ den Männern eine Sonderration Bier ausschenken, saß eine Zeitlang mit seiner Mutter auf einer Bank und unterhielt sich mit ihr, spielte sogar mit seinen beiden Schwestern Ball. Nur mit Yngvar suchte er keinen Kontakt. Die beiden Brüder schienen sich nicht sonderlich gut zu verstehen. Ob er Yngvars Arbeit nicht genügend achtete? Ob Yngvar auf Thoralf neidisch war?
Thoralf besaß zwei Gesichter, das wurde Viviane klar. Doch welches war das
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