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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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und ein Trinkhorn konnte sie gebrauchen, ebenso eine Sichel, verschiedene Axtblätter aus Stein und Tongefäße. Der Tote lag in einem ausgehöhlten Baumstamm, die Steinplatte darauf war zur Seite gekippt, als der Baum langsam verrottete. Zu Füßen des Toten fand Viviane etwas, das sie zunächst nicht deuten konnte. Es war ein Stein, sehr schwer und seltsam abgerundet. Sie schaffte alles, was sie meinte brauchen zu können, in den vorderen Raum. Mit den aus Feuerstein gefertigten Axtblättern konnte sie Funken schlagen. Mit Hilfe einer Handvoll des trockenen Laubes gelang es ihr. Bald züngelten kleine Flammen empor, die die sorgsam darübergeschichteten Zweige und Äste erreichten. Es knackte leise, dann immer lauter, es rauchte, und bald verbreitete das Feuer Wärme. Es erhellte auch den Raum. Viviane blickte sich um. Wände und Decke bestanden aus dunkler Erde, stark verfestigt und teilweise durchwurzelt. Nur so hatte der Raum überhaupt bestehen können und war nicht zusammengebrochen. Sie nahm einen brennenden Ast aus dem Feuer und leuchtete in die Grabkammer. Aus dem Eichenbaumsarg ragten Fetzen von Fell oder Leder empor. Sie verzichtete darauf, sie genauer zu untersuchen. Die meisten Krüge aus Ton waren zerfallen, der Inhalt nicht mehr zu erkennen.
    Viviane beschloss, das Loch zur Grabkammer wieder zu verschließen. Gemeinsam mit einem Toten die Nacht zu verbringen, dazu konnte sie sich nicht überwinden. Es war nicht einfach, die Erdklumpen wieder aufzuhäufen. Zuletzt stellte sie einige Kiefernzweige vor die Wand. Sie verströmten einen intensiven Duft und verdeckten das restliche Loch, das sie nicht schließen konnte. Dann wandte sie sich den Dingen zu, die sie aus der Grabkammer genommen hatte. Der Kessel war unbenutzt, wenn auch mit einer dicken Schmutzschicht überzogen. Viviane schmolz Schnee und putzte den Kessel damit sauber. Zumindest würde sie nicht verdursten. Mit den kleinen Äxten konnte sie Äste und Zweige abhacken, auch wenn diese Werkzeuge offenbar nicht dafür vorgesehen waren. Sie waren ebenso unbenutzt wie der Kessel. Sie würde auch nicht erfrieren. Aber sie würde wahrscheinlich verhungern, denn wovon sollte sie sich ernähren? Der Schnee hatte alles zugedeckt, sie würde weder Beeren noch Pilze finden, vielleicht ein paar Nüsse. Sorgfältig legte sie weitere Äste ins Feuer, um es am Leben zu erhalten. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als hinaus und auf die Suche nach etwas Essbarem zu gehen. Sie besaß weder Speer noch Pfeil und Bogen und konnte etwas Derartiges auch nicht herstellen. Eine Jagd war unmöglich.
     
    Die Kälte hatte zugenommen. Ihr dünner Kittel, der verschlissene wollene Überwurf, die löcherigen Schuhe schützten sie nicht. Blaue Flecken bildeten sich an ihren Beinen. Sie musste sich warmlaufen, bewegen. Der Hunger trieb sie vorwärts. Sie vergaß nicht die Vorsicht vor Asgeirs oder Hoskulds Männern, die vielleicht im Wald nach ihr suchten. Doch es blieb still, nur ab und zu fiel etwas Schnee von den Bäumen. Die Ausbeute war mehr als gering. Sie fand einige Nüsse an einem Strauch, einen lederartigen Pilz an einem Baumstamm, einige dünne Zweige mit Knospenansätzen für das nächste Frühjahr. Niemals würde sie hier überleben können.
    Mutlos blieb sie stehen. Sie suchte nach einem Ausweg aus ihrer prekären Lage. Sie war vor dem Tod geflüchtet. Doch wohin nun? Nach Skollhaugen konnte sie nicht zurück, das gab es nicht mehr. Es gab Grondalr, wo Gunnardviga lebte – und Asgeir. Es gab Fürst Ragnvalds Hof. Unmöglich, dorthin zu gehen. Hoskuld steckte mit Asgeir unter einer Decke. Und Ragnvald hatte, wohl um nicht das Gesicht zu verlieren, dieses üble Spiel mitgespielt. Nein, das war kein Spiel gewesen, das war feiger Mord. Viviane glaubte nicht, dass Fürst Ragnvald Zeugen dieses Verrats würde davonkommen lassen. Wer nicht getötet worden war, den hatte er bestimmt gefangen genommen.
    Einen kurzen Augenblick überlegte sie, zum Moor zurückzugehen und zu schauen, ob sie eine Lanze oder andere Waffen finden könnte, um damit zu jagen. Gleich darauf verwarf sie den Gedanken wieder. Es hatte bestimmt viele Tote gegeben, und die würden noch dort im Moor liegen. Niemand würde sich die Mühe gemacht haben, sie zu begraben. Es reichte schon, dass ein Toter im Nebenraum der Höhle lag. Sie seufzte. Der Traum kam ihr wieder in Erinnerung. Thoralf! Ja, sie lebte für Thoralf. Eines Tages würde er wieder zurückkommen. Dann musste sie für ihn da sein. Bis

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