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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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weißes Rauschen dröhnten die Stimmen in ihrem Kopf.
    »Was ist passiert?«, fragte Ellie und schüttelte Julia an den Schultern, um sie aus ihrer Trance zu holen.
    »Sie ist weg.« Fast hätte Julia angefangen zu weinen. »Gerade war sie noch da, an meiner Hand ..., dann kamen die Menschenmassen aus der Kirche, und plötzlich war alles voller Leute. Das muss sie zu Tode erschreckt haben. Sie ist weggelaufen.«
    »Okay. Rühr dich nicht vom Fleck. Verstanden?«
    Es war tatsächlich nicht ganz leicht, Ellie zu verstehen, denn Julias Herz raste, und sie konnte nur an vorhin denken, als Alice solche Angst gehabt hatte, sich im Auto festschnallen zu lassen. Aber sie hatte es schließlich geschafft. Dieses tapfere, verletzte Kind hatte sich anbinden lassen, hatte sie mit traurigen Augen angeschaut und gesagt: Nich allein Mädchen?
    Sie hatte versprochen, sogar geschworen , Alice nicht alleinzulassen. Julia drängte sich durch die Menge, rief nach Alice, blickte sich hektisch nach ihr um. Wahrscheinlich wirkte sie wie eine Verrückte, aber das war ihr vollkommen egal.
    Eine Brise kam auf, trieb Blätter über die Straße und übers Gras. Es roch vage nach dem nahen Ozean, und Julia war überzeugt, wenn sie jetzt tief Luft holte, würde sie Tränen schmecken. Sie blieb stehen und versuchte, die aufsteigende Panik niederzuringen. Plötzlich hörte sie auch Ellie nach Alice rufen, sah Taschenlampen überall im Park aufblitzen.
    Denk nach. Was könnte Alice dazu bringen zurückzukommen?
    Auf einmal ging ihr ein Licht auf. Musik! Alice konnte stundenlang vor den Lautsprechern stehen und Musik hören. Sie liebte Disney-Songs. Doch von all den Liedern, die sie gerne hörte, war eines ihr klarer Favorit.
    Julia holte tief Luft und begann zu singen: »Weißt du, wie viel Sternlein stehen ...?«
    Singend ging sie durch den verlassenen Park.
    »... an dem blauen Himmelszelt...?«
    Ein Vogel zwitscherte sein eigenes Lied. Einen Moment bemerkte Julia es nicht, aber dann fiel ihr plötzlich auf, dass das Vogellied ihre Stimme imitierte.
    »Alice?«, flüsterte sie.
    »Dschulie?«
    Julias Knie wurden weich, als sie in die kahlen Äste des Ahornbaums hinaufblickte. Da saß Alice, schaute zu ihr herunter, das Gesicht voller Furcht und Sorge. »Nich allein?«
    »O Schätzchen, nein, ich lasse dich nicht allein!«
    Sofort sprang Alice herunter.
    Julia schloss sie in die Arme und hielt sie fest. Sie spürte, wie das kleine Mädchen bebte, und wusste, wie viel Angst sie ausgestanden hatte.
    »Es tut mir so leid, Alice.«
    Auf Alices Gesicht erschien ein zittriges Lächeln. »Bleib?«
    »Ja, Schätzchen. Ja, ich bleibe bei dir.«
    Alice berührte Julias Gesicht und wischte ihr die Tränen ab. »Kein Wasser«, sagte sie besorgt.
    »Das sind nur Tränen, Alice. Tränen. Und sie bedeuten, dass ich dich liebe.«
    In diesem Moment kam Ellie und hockte sich neben die beiden. »Da ist ja unser Mädchen!«, rief sie mit einem lauten Seufzer der Erleichterung.
    Julia sah ihre Schwester durch einen Tränenschleier an. »Wie heißt eigentlich der hiesige Anwalt?«
    »John MacDonald. Warum?«
    »Ich möchte sofort nach Weihnachten die Adoption in die Wege leiten.«
    »Bist du sicher?«
    Julia zog Alice noch enger an sich. »In meinem ganzen Leben war ich mir noch nie über etwas so sicher.«
    * * *
    »Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte Max bis Mittag im Krankenhaus seine Patienten und die wenigen Kinder besucht, fünfundzwanzig Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt, hatte in der katholischen Kirche eine Spende abgegeben und jedes Mitglied seiner Familie angerufen.
    Jetzt stand er in seinem stillen Wohnzimmer und starrte auf den verwaschen grauen See hinaus. Es regnete so heftig, dass alles im Garten farblos wirkte, sogar die Bäume.
    Er hätte einen Weihnachtsbaum aufstellen sollen. Vielleicht hätte das seine Stimmung ein wenig gehoben, obwohl er selbst nicht wirklich davon überzeugt war. Seit sieben Jahren hatte er schon keinen Baum mehr gekauft.
    Er ging zum Sofa und setzte sich, wusste aber sofort, dass das ein Fehler war, denn unverzüglich scharten sich Geister und Erinnerungen um ihn. Er sah seine Mutter in ihrem Lieblingsstuhl sitzen und durch die Lupe Insekten betrachten ... und seinen Vater im Sessel schlafen, eine Hand an die faltige Wange gedrückt... und Susan, die an einer hellblauen Decke strickte ...
    Er nahm das Telefon und rief im Krankenhaus an. »Hier ist es ganz still«, sagte man ihm. »Sie brauchen nicht zu kommen.«
    Er legte

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