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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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komm lieber raus!
    Das ist doch bloß ein alter Ast. Du brauchst eine Brille.
    Nein, du brauchst eine Brille ...
    Sie erinnerte sich an ihr Lachen ..., wie sie stundenlang am schlammigen Ufer gesessen und geredet hatten, über Gott und die Welt.
    Sie folgte dem Weg um die Kurve, und schon erblickte sie das Haus vor sich. Eine Sekunde lang erwartete sie, dass es aussah wie damals: eine windschiefe Hütte mit falschen Schindeln, die Fensterläden schräg vor den rissigen, dreckigen Fenstern hängend, ein Rudel knurrender Pitbulls im Hof angekettet.
    Sie blinzelte, und das Bild verschwand. Jetzt stand sie vor dem Haus, das Cal in den Jahren zwischen Schulabschluss und der Heirat mit Lisa eigenhändig gebaut hatte. Damals hatte er für eine Baufirma gearbeitet, nach den üblichen fünfundvierzig Wochenstunden weitergeschuftet und sein eigenes Haus mit viel Liebe buchstäblich um seinen ständig betrunkenen, nutzlosen Vater herum errichtet.
    Es war ein kleines Haus, das in scharfen Winkeln und ungeschickten Krümmungen nach außen gewachsen zu sein schien. Immer wenn Geld hereinkam, hatte Cal ein Zimmer angebaut, mehr oder weniger ohne übergreifenden Plan. Aber er hatte seine ganze Energie in dieses Projekt gesteckt und versucht, seiner Familie ein Heim zu schaffen, wie er es selbst nie gehabt hatte. Das Resultat war ein seltsam malerisches Schindelhäuschen auf einem samtgrünen Rasen, umgeben von zweihundertjährigen Nadelbäumen.
    Wie immer war die Weihnachtsdekoration Weltklasse. Wahrscheinlich schlug Cal etwas über die Stränge, um all die Jahre wettzumachen, in denen nicht mal ein Baum im Wohnzimmer gestanden hatte.
    Die Veranda war dicht mit Lichterketten behängt, das Geländer mit Tannenzweigen verkleidet. An der Haustür hing ein riesiger, selbst gemachter Kranz.
    Eigentlich hatte Ellie erwartet, Musik nach draußen dringen zu hören, aber es war ungewöhnlich still. Eine Sekunde fragte sie sich, ob Cal und die Mädchen überhaupt zu Hause waren. Doch als sie sich umblickte, entdeckte sie sofort Cals Baby - den 1969er GTO, den er perfekt restauriert hatte.
    Sie klopfte. Da niemand reagierte, versuchte sie es noch einmal.
    Schließlich näherten sich laute Schritte.
    Die Tür ging auf, und Cals Töchter standen vor ihr, eng aneinandergekuschelt, lächelnd. Amanda, die Elfeinhalbjährige, sah in ihren Hüftjeans, einem mit silbernen Nieten beschlagenen Gürtel und einem rosa T-Shirt schon unglaublich erwachsen aus. Ihre langen schwarzen Haare waren zu einem ziemlich unkonventionellen Zopf geflochten, der eigentlich nur das Werk ihres ungeschickten Vaters sein konnte. Die neunjährige Emily trug ein grünes Samtkleid, das ihr mindestens eine Nummer zu groß war, und die achtjährige Sarah - die als Einzige die rotblonden Haare und die sommersprossige Haut ihrer Mutter geerbt hatte - hatte sich nicht die Mühe gemacht, etwas anderes als ihren Prinzessin-Fiona-Schlafanzug anzuziehen.
    Bei Ellies Anblick verblasste ihr Lächeln rasch.
    »Es ist bloß Tante Ellie«, stellte Amanda enttäuscht fest.
    »Fröhliche Weihnachten«, murmelten sie, dann rief Emily ihren Vater.
    »Oh, danke«, sagte Ellie und sah ihnen nach.
    Cal kam die Treppe herunter, langsam, als wäre er gerade erst aufgewacht. Seine schwarzen Haare waren zerzaust, auf einer Wange waren Kissenabdrücke zu sehen. Beide Knie seiner Jeans waren durchgescheuert und die Säume ausgefranst. Auch sein Metallica-T-Shirt hatte schon bessere Zeiten gesehen.
    »Hallo Ellie«, sagte er und versuchte ein Lächeln. Im Vorbeigehen umarmte er die Mädchen, die sich gleich wieder aus dem Staub machten.
    »Du siehst schrecklich aus«, sagte Ellie, als sie weg waren.
    »Und ich wollte dir gerade sagen, wie schön du bist.«
    Ellie schloss die Tür hinter sich und folgte Cal ins Wohnzimmer, wo ein großer, prächtig geschmückter Weihnachtsbaum stand. Sie stellte ihre Geschenktüte darunter.
    Cal ließ sich aufs Sofa fallen und legte die Füße auf den Couchtisch aus gehämmertem Kupfer. Dabei seufzte er so laut, dass eins der winzigen Ornamente anfing, sich zu drehen und zu klimpern.
    Ellie setzte sich neben ihn. Es verwirrte sie, Cal so zu sehen. Er hatte so viele schwierige Situationen mit einem Lachen durchgestanden, er konnte doch jetzt nicht schlappmachen. Wenn Cal zusammenklappte, dann war auf nichts mehr Verlass. »Was ist los?«
    Er sah sich um und vergewisserte sich, dass keins der Mädchen in der Nähe war. »Lisa ist nicht mal heute, am Weihnachtsmorgen, bei

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