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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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geredet. Ich habe versucht, ihnen begreiflich zu machen, wie ihr Leben aller Wahrscheinlichkeit nach verlaufen würde, wenn sie sich nicht änderten. Aber am Ende meines ersten Jahres habe ich aufgehört, Vorträge zu halten und die ganze Nacht an einem Bett zu stehen. Ich konnte unmöglich alle retten.«
    Ihre Blicke trafen sich und hielten einander fest. Auf einmal hatte sie das Gefühl, in die endlose Tiefe seiner Augen zu fallen. »An guten Tagen weiß ich das. Heute war kein so guter Tag. Genau genommen war das ganze letzte Jahr nicht besonders gut.«
    »Morgen wird es besser.« Er streckte die Hand aus und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn.
    Es wäre ganz einfach gewesen, ihn jetzt zu küssen, nur eine winzige Bewegung auf ihn zu. »Das können Sie gut«, sagte sie mit zittriger Stimme und zog sich zurück.
    »Was?«
    »Frauen verführen.«
    »Ich verführe Sie nicht.«
    O doch . Sie stellte ihr Weinglas weg und stand auf. Sie brauchte ein bisschen Distanz. »Danke für alles, Max. Sie haben mich heute Abend gerettet, ehrlich. Aber jetzt muss ich zurück zu Alice. Ich bin schon viel zu lange weg.«
    Langsam erhob er sich ebenfalls, begleitete sie zur Tür und von dort wortlos in die Garage. Sie stiegen aufs Motorrad, und er fuhr sie nach Hause.

Kapitel 14
    Das Motorrad knatterte durch die stille Nacht, so laut, dass die Bäume erzitterten. In Los Angeles hätte der Lärm ein Dutzend Autoalarmanlagen ausgelöst, hier stieß er nur auf die unendliche Stille der dunklen Straße. Am Ende der Auffahrt bremste Max ab, blieb stehen und blickte zurück.
    Im Dunkeln wirkte das Haus zwischen den Bäumen noch kleiner als sonst - nur eine Reihe erleuchteter Fenster, weiter nichts.
    Ich kenne nur eine Art zu lieben.
    Alles oder nichts.
    Wie konnten ihn ein paar leise gesprochene Worte derart treffen?
    Er nahm den Helm ab und knallte ihn auf die gepolsterte Rückenlehne hinter sich.
    Luft. Freiheit. Das war es, was er jetzt brauchte. Dann würde er den Kopf wieder klar bekommen und diesen seltsamen Augenblick vergessen.
    Er gab Gas und raste los.
    Um ihn herum nur verschwommene Schatten. Er wusste, dass er viel zu schnell fuhr - es gab hier Rotwild und Elche, außerdem jede Menge Schlaglöcher, und bei diesem Tempo konnte ihn schon ein Stein aus der Bahn werfen und womöglich das Leben kosten - aber das war ihm in diesem Moment egal. Solange er diese Geschwindigkeit beibehielt, musste er wenigstens nicht an Julia denken.
    Doch sobald er in seine Auffahrt einbog und das Tempo drosselte, war sofort alles wieder da.
    Er stellte die Maschine in die Garage und ging in sein dunkles, stilles Haus, wo er sofort alle Lichter und die Stereoanlage anmachte.
    Lärm und Licht sind nicht das Leben, Max.
    Susis Stimme. Obwohl sie nicht hier war, nie hier gewesen war, sah er trotzdem manchmal sein Leben durch ihre Augen. Alte Gewohnheiten waren eben nicht so leicht abzulegen.
    Keine Esszimmer Stühle, Max! Keine Bilder an der Wand? So was ist doch kein Zuhause.
    Aber er hatte es sich absichtlich so spartanisch eingerichtet. Möbel waren ihm nicht wichtig, genauso wenig wie Nippes oder Komfort. Er wollte ja so wohnen, dass er all das vergessen konnte, was aus einem Haus ein Zuhause machte. Hier konnte er seinen Whiskey trinken, auf dem großen Fernseher seine Sportsendungen verfolgen und in seiner Holzwerkstatt arbeiten.
    Alles oder nichts.
    Er hätte nicht auf sie zugehen sollen heute Abend, er hätte es besser wissen müssen. Nach der Pressekonferenz hatte er die Polizeiwache so schnell wie möglich verlassen, mit der Absicht, sich aufs Motorrad zu setzen und heimzufahren. Aber stattdessen hatte er draußen gewartet und war in der Dunkelheit umhergeirrt wie ein liebeskranker Teenager.
    Das Problem war, dass er aus Erfahrung wusste, wie heiß das grelle Licht des Scheinwerfers sein konnte. Als er sie dort gesehen hatte, hinter all den Mikrofonen, wie sie sich so bemüht hatte, stark zu sein, hatte er etwas Gefährliches getan. Er hatte ihre zitternde Unterlippe, ihr totenbleiches Gesicht und die Tränen in ihren Augen bemerkt, und sein erster Gedanke war gewesen, dass er diese Tränen wegküssen wollte.
    Zum ersten Mal seit sieben Jahren hatte er wirklich Angst gehabt, und das nicht etwa, weil er mit dem Fuß falsch auf einem Felsvorsprung aufgekommen oder weil er zu lange im freien Fall geblieben war, bevor er die Reißleine gezogen hatte. All diese Augenblicke, die er in den letzten Jahren angesammelt hatte, waren bloß

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