Wohin der Wind uns trägt
gepflegten Blumenbeete leuchteten farbenprächtig. Der Himmel war wolkenlos und hellblau. Jos Herz klopfte aufgeregt. Sie war gerade mit dem Striegeln des Pferdes fertig, das Willie am ersten Tag reiten sollte, und hielt es fest, damit Guy den Sattel auflegen konnte.
Am nächsten Tag erlebte Jo etwas sehr Aufregendes. Die Queen blieb auf dem Weg zu ihren eigenen Pferden, die sie vor dem Rennen inspizieren wollte, tatsächlich stehen und sprach sie an. Vor lauter Überraschung vergaß sie, einen Hofknicks zu machen.
Und am letzten Renntag führte Jo endlich Outsider hinaus aufs Feld zu den anderen Teilnehmern. Guy Comptons leuchtend orange-rotes Emblem glänzte auf dem Rücken des Jockeys und der Stadionsprecher verkündete die Lebensdaten des Pferdes. Fast wäre sie geplatzt vor Stolz. Einzig der Reiter trübte ihre Freude, denn sie verabscheute Willie und traute ihm nicht über den Weg. Der Mann hatte stechende Augen und einen bösen Zug um den Mund. Sie musste aber zugeben, dass er ein guter und zuverlässiger Reiter war, der Outsider die nötige Stabilität vermittelte.
Jo, die mit den anderen Pferdepflegern der Comptons im Gegenlicht auf der Tribüne saß, stieß einen Jubelruf aus, als sich die Starttore öffneten und acht Vollblüter die gut anderthalb Kilometer lange Gerade entlangpreschten. Outsider war hoher Favorit und eroberte sich bald die zweite Position, dicht gefolgt vom Pferd der Königin, das Scheuklappen trug. In der zweiten Kurve behauptete Outsider noch immer seine Position, und der Abstand zum Ersten verringerte sich zusehends. Die Pferde bogen auf die Zielgerade. Alle Zuschauer sprangen gleichzeitig auf und feuerten die Reiter aus Leibeskräften an. Jo folgte ihrem Beispiel und musste an einem gewaltigen orangefarbenen Hut vorbeispähen. Sie schrie sich heiser, um Outsider zu noch größerer Leistung anzuspornen. Der Wallach preschte auf den Zielstrich zu und kämpfte um die Führung. Willies Arm mit der Gerte ruderte wie ein Windmühlenflügel, und sein zierlicher Körper wirkte auf dem Rücken des Pferdes winzig. Die Stimme des Stadionsprechers übertönte das Johlen des Publikums.
Gerührt beobachtete Jo, wie ihr heldenhafter Dreijähriger die Geschwindigkeit erhöhte, seinen Rivalen in letzter Sekunde überholte und das Rennen um Kopfeslänge gewann. Die Zuschauer gerieten außer Rand und Band, fielen einander jubelnd in die Arme und warfen Hüte und Programme in die Luft. Gleichzeitig lachend und weinend drängte Jo sich durch die Menge zur Koppel, wo ein verschwitzter, aber triumphierender Willie auf Outsiders Rücken saß und, immer noch außer Atem, Interviews gab. Auf dem dunklen Fell des Pferdes glänzte der Schweiß. Während Guy und Willie den Pokal in Empfang nahmen, führte Jo Outsider zurück in den Stall. Sie liebte dieses wundervolle Pferd von ganzem Herzen.
Jo plauderte freundlich mit dem Tier, spritzte es ab und rieb es trocken. Sie wünschte sich, sie hätte diesen siegreichen Augenblick mit ihrem Vater teilen können. Nachdem sie dem Wallach eine Decke übergeworfen hatte, damit er sich nicht erkältete, ging sie mit ihm auf der kleinen Koppel hinter der Tribüne hin und her, um ihn langsam abzukühlen und ihm die Gelegenheit zum Grasen zu geben.
Seit dem schicksalhaften Tag im Januar hatte sie nichts von Charlie gehört. Jo hatte ihm und ihrer Mutter einige gestelzte Briefe geschrieben, in der Hoffnung, dass sich ihre Wut inzwischen gelegt haben könnte. Ihre Mutter hatte ihr förmlich geantwortet, wie einer entfernten Verwandten. Und während Jo nun mit Outsider ihre Runde machte, fasste sie einen Entschluss: Wenn ihre Eltern ihre Verbitterung nicht überwinden konnten, dann musste sie es eben tun. Sie würde ihnen weiter schreiben, von der Liebe berichten, die sie für Pferde, diese wundervollen Geschöpfe, empfand, und von der Freude erzählen, die ihre Arbeit ihr bereitete. Ohne eine Antwort zu erwarten. Zumindest ihr Vater würde ihre Gefühle sicher verstehen.
So sehr war Jo in ihre Gedanken versunken, dass sie nicht hörte, wie eine Stimme ihren Namen rief. Erst als sie eine Hand auf der Schulter spürte, fuhr sie herum und starrte überrascht in das Gesicht von Simon Gordon. In seinem grauen Anzug, den Zylinder in der Hand und den Mitgliedsausweis am Revers, sah er einfach hinreißend aus.
»Jo Kingsford, du bist es wirklich! Ich war nicht sicher, als ich dich vorhin mit Guy bei den Ställen bemerkt habe. In dieser Aufmachung siehst du so anders
Weitere Kostenlose Bücher