Wohin der Wind uns trägt
Lelia sah darin nur hinreißend und weiblich aus. Jo war enttäuscht. Sie hatte insgeheim gehofft, dass Simon es mit Lelia vielleicht doch nicht ernst wäre. Aber so viel Schönheit und verführerischer Hilflosigkeit konnte sich wohl kein Mann entziehen. Verglichen mit Lelia fühlte Jo sich schäbig und unscheinbar.
»Pflegen wir Kontakte zum Stallpersonal, Liebling? Hallo, ist das das Pferd, das gerade gewonnen hat?« Lelia nickte kurz in Jos Richtung, hielt inne, und musterte sie forschend. »Kennen wir uns nicht?«
Jo starrte sie nur wortlos an.
»Verdammt, Lelia, verschon uns mit deinen kleinen Spielchen. Du bist Jo im Haus deiner Mutter begegnet und hast drei Tage lang nur über sie geredet«, zischte Simon. Diese unerwartete Antwort verschlug Jo die Sprache.
Lelia schienen im ersten Moment ebenfalls die Worte zu fehlen. Dann jedoch legte sie die Hand vor den Mund und kicherte ganz entzückt.
»Ach du meine Güte, du meinst doch nicht etwa Emmas kleine Modelfreundin?«, sagte sie und fächelte sich mit ihrem Programmheft Kühlung zu. »Hast du ernsthaft erwartet, dass ich sie in diesem Aufzug erkennen würde? Ich meine …«, fügte sie vorwurfsvoll und mit schriller Stimme hinzu und musterte Jos Gesicht. »Du siehst in diesen Sachen ganz anders aus.«
Sie seufzte und unterdrückte die Wut, die in ihr beim Anblick der beiden in vertrautem Gespräch hochgestiegen war.
»In der Modebranche wird zwar mit harten Bandagen gekämpft, aber du warst doch, wenn ich richtig gehört habe, sehr erfolgreich. Gut, nur die Besten kommen durch, aber ich bin sicher, dass du mit ein bisschen Anstrengung …« Sie schenkte Jo ein reizendes Lächeln.
»Ich habe Jo zu unserem Wochenende in Norfolk eingeladen«, verkündete Simon.
»Oh.« Lelia verstummte. »Wie nett. Dann haben wir wenigstens eine gerade Anzahl von Gästen«, sprach sie weiter, als sie den ärgerlichen Ausdruck in Simons Gesicht bemerkte. »Es tut mir leid, dass ich so unhöflich bin, eure kleine Unterhaltung zu stören, aber ich muss Si entführen.«
Sie legte eine Hand mit korallenrot lackierten Fingernägeln besitzergreifend auf Simons Arm und sorgte dafür, dass auch niemand den Verlobungsring mit dem gewaltigen Diamanten übersah.
»Lord und Lady Cleaver würden sich freuen, wenn wir mit ihnen und der königlichen Familie ein Gläschen Champagner trinken. Gut, ich denke, dann sehen wir uns in Norfolk.« Sie lächelte Jo zu. »Sicher wirst du uns gern von deiner Stallarbeit erzählen.«
»Ruf mich an, wenn du weißt, ob du freibekommst«, fügte Simon ein wenig zu hastig hinzu und reichte Jo seine Visitenkarte. »Hoffentlich klappt es.«
Jo durchlief bei der Berührung ihrer Finger ein zarter Schauer. Sie sah in sein Gesicht, und für einen Moment waren Lelia und der Rest der Welt vergessen. Jo spürte seinen eindringlichen Blick und glaubte fast, sie könnte ihm etwas bedeuten. Doch schon meldete die Wirklichkeit sich zurück.
»Ja, wir freuen uns auf deinen Besuch. Ciao«, schrillte Lelia. Dann zerrte sie Simon in Richtung VIP-Loge.
»Wir freuen uns auf deinen Besuch«, äffte Jo sie nach und führte Outsider zum Transporter. »Etwa so wie auf die Beulenpest. Du solltest ein paar Stunden auf deine Stimmbildung verwenden, du blöde Kuh. An diesem wundervollen Wochenende wirst du auf mich verzichten müssen.«
Zornig zerriss sie die Visitenkarte, steckte die Schnipsel ein und fragte sich, wem sie etwas vormachen wollte.
»Komm, Outsider. Bereiten wir alles für die Heimfahrt vor.«
Auch die anderen Pferdepfleger waren damit beschäftigt, Gerätschaften zusammenzupacken und ihre Schützlinge für die Heimreise fertig zu machen.
Es tat so weh.
»Aber es hätte auch nicht geklappt, wenn er nicht verlobt wäre«, dachte Jo niedergeschlagen. Sie legte Outsider eine Decke über und schnallte diese an der Brust und zwischen den Hinterbeinen fest.
Ihre Finger prickelten noch immer von Simons Berührung. Sie und er waren viel zu verschieden, und außerdem verkehrten sie nicht in denselben Kreisen. Bei seinen Freunden wäre sie immer eine Außenseiterin gewesen. Und er schien mit seinem Leben ganz zufrieden zu sein.
Outsider wieherte ungeduldig, drehte sich zu Jo um und stampfte mit dem Hinterhuf auf.
»Du Frechdachs. Du brauchst dir gar nichts einzubilden, ich vergesse dich schon nicht«, meinte sie lächelnd, und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Pferd zu.
Nachdem Jo ihn abgedeckt hatte, band sie ihn an seinem Platz im Transporter fest,
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