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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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Compton-Pferdes galt, sondern – im Gegenteil – ziemlich tief in der Wertschätzung gesunken war.
    »Nein, wir haben keine Stelle frei«, meinte der Besitzer eines mittelgroßen Rennstalls, dem sie einige Male auf der Rennbahn begegnet war. »Ich beschäftige keine Frauen«, erwiderte ein anderer und wich ihrem Blick aus. »Ich habe keinen Platz für faule und unzuverlässige Mitarbeiter, die mir die Pferde durcheinanderbringen«, zischte ein Dritter. Bedrückt, aber fest entschlossen, sich nicht geschlagen zu geben, bewarb Jo sich weiter. Doch am Ende der Woche musste sie sich eingestehen, dass es zwecklos war, im Umkreis von Stockenham Park eine Stelle zu suchen. Offenbar hatte Kurt ganze Arbeit geleistet.
    »Geben Sie auf, und werden Sie wieder Fotomodell«, sagte ein freundlicher Besitzer, der gerade sein Pony zur Tränke führte. »Da waren Sie doch recht erfolgreich. Überlassen Sie diesen Job den Männern.«
    Jo schäumte vor Wut, aber das nützte ihr nichts. Nachdem sie mit hängenden Schultern und Blasen an den Fersen in ihre schäbige Pension zurückgekehrt war, machte sie sich eine Tasse Tee mit viel Zucker und ließ sich auf einen der wackeligen Stühle fallen.
    »Keine Sorge, meine Liebe, das wird schon wieder«, meinte die Wirtin aufmunternd und wischte sich die Hände an der schmutzigen Schürze ab. Sie servierte ihr drei Tage alte Suppe und Rührei, das sich schon grau verfärbt hatte. Jo war so hungrig, dass sie das Essen trotzdem hinunterschlang und anschließend zum Trost noch zwei Rosinenbrötchen verspeiste, die sie zuvor in einer Bäckerei gekauft hatte.
    »Die hat leicht reden«, dachte Jo bedrückt und stopfte sich den letzten Rest Brötchen in den Mund. »Erst der Krach mit Mum und Dad, dann werde ich gefeuert und jetzt das.«
    Sie tastete in der Jackentasche nach ihren Pfefferminzbonbons, da berührten ihre Finger einen Fetzen Papier. Sie zog ihn heraus und betrachtete ihn fragend. Es war ein Stück von Simons Visitenkarte, die sie in Ascot zerrissen hatte. Jo ließ den Kartonschnipsel zwischen den Fingern hin und her gleiten, als könne sie so das überschäumende Glück heraufbeschwören, das sie damals in seiner Gegenwart verspürt hatte.
    Vielleicht hatte Dad ja recht. Es war eine Männerwelt, und sie musste einsehen, dass es keinen Sinn hatte, gegen Windmühlen anzukämpfen.
    »Nein, verdammt, ich lasse mich nicht unterkriegen«, rief sie und starrte wütend auf die Karte. Ausgerechnet jetzt wurde sie an Simon erinnert.
    »Außerdem werde ich keine Zeit mehr damit verschwenden, meinen Traumbildern nachzujagen.«
    Sie pflückte sorgfältig alle Schnipsel aus ihrer Tasche und drehte diese um, damit sicher war, dass sie auch nichts übersehen hatte. Dann türmte sie die Papierstückchen im Kamin zu einem Häufchen, nahm die Streichhölzer, die neben dem Gasherd lagen, und zündete die Schnipsel an. Auf den Fersen kauernd, sah Jo beklommen zu, wie die Flammen die Reste der Visitenkarte umzüngelten, aufloderten und das Papier verzehrten, bis nur noch geschwärzte, dünne und brüchige Stückchen übrig blieben, die rasch zerfielen und ihre letzte Verbindung zu Simon abschnitten.
    »Du hast nicht die leiseste Ahnung«, flüsterte sie und ließ die Schultern hängen.
    Ein Luftzug strömte unter der verzogenen Tür herein und wirbelte die Asche auf, als ob er die Bedeutung dieser Geste betonen wollte. Mit einer abschließenden Bewegung klopfte Jo sich die Hände ab und straffte sich. Es war an der Zeit, mit dem Jammern aufzuhören und ihr Leben wieder in Angriff zu nehmen.

14
    Am nächsten Tag ließ Jo sich von einem Ladenbesitzer im Wagen nach Newmarket mitnehmen. Um sich etwas Gutes zu tun und auch, weil sie inzwischen herausgefunden hatte, dass sie in dieser Gegend ohne Auto aufgeschmissen war, kaufte sie sich einen alten, verbeulten, dunkelblauen Morris Minor. Ihre Ersparnisse schmolzen rasant dahin.
    Zuversichtlich machte sie sich dann erneut auf die Arbeitssuche, die sich jedoch in Newmarket als ebenso fruchtlos erwies wie in der Umgebung von Stockenham – auch wenn Kurts üble Gerüchte nicht bis hierher gedrungen waren. Es gab keine Arbeit, und wenn doch eine Stelle frei war, wurden ausschließlich junge Männer gesucht. Die ständig wiederkehrende Litanei lautete, dass ein Mädchen nicht kräftig genug sei, um die Pferde zum Galoppieren zu bringen, und niemand ließ sich von Jos Argumenten erweichen.
    In der zweiten Woche wuchs der Druck. Sie hatte nur noch zwei Ställe auf ihrer

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