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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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diesem Rennstall beschäftigt«, entgegnete Kurt, ohne darauf zu achten, dass sie sich ganz offensichtlich elend fühlte.
    »Ich sage die Wahrheit, ich schwöre …«, flehte Jo und presste sich das Taschentuch vor den Mund. »Verzeihung«, stieß sie hervor und rannte an Kurt vorbei zur Toilette.
    Mit einem selbstzufriedenen Grinsen marschierte Kurt zurück in sein Büro. Wie sollte er als medizinischer Laie schließlich beurteilen, ob es sich wirklich um eine Lebensmittelvergiftung handelte? In seinen Augen war das Mädchen eindeutig verkatert, und das würde er auch jedem sagen, der es wagte, seine Entscheidung in Frage zu stellen. Wenigstens war er sie nun endlich los.
    Jo kam verheult aus der Toilette und machte sich auf den Weg zum Büro. Faith, die sich vergewissert hatte, dass Kurt sich am anderen Ende der Ställe aufhielt, lief ihr nach und drückte ihr ein Päckchen in die Hand.
    »Das hat der Tierarzt mir für dich gegeben«, flüsterte sie mit einem ängstlichen Blick über die Schulter. »Du sollst sofort zwei davon nehmen. Er sagte, das müsste deinen Magen beruhigen und die Schmerzen lindern.«
    Immer noch grün im Gesicht, schluckte Jo die Tabletten und schüttelte sich. Faith lachte verlegen auf.
    »Du solltest dir keine Sorgen machen, wenn du heute Nacht zu wiehern anfängst. Die Wirkung lässt in zwei Tagen nach.« Jo grinste schief, und ein kleiner Funke blitzte in ihren stumpfen Augen auf.
    »Seine genauen Worte lauteten: ›Das wird sie für einen Monat zukleistern, und sie wird nichts mehr spüren!‹«, beendete Faith den Satz.
    »Danke.« Jos Auflachen endete in einem Schluchzer. »Ich muss zurück, bevor Kurt mich erwischt. Kommst du allein klar?«, fragte Faith besorgt.
    »Das schaffe ich schon«, antwortete Jo, obwohl das keineswegs sicher war.
    »Ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen. Wenn ich nicht den Vorschlag mit dem Abendessen gemacht hätte, wäre das nie passiert«, sprach Faith weiter. »Aber du findest bestimmt leicht etwas Neues. Es gibt in der Gegend massenhaft Ställe, und alle wissen, wie gut du mit Pferden umgehen kannst.«
    Sie umarmte Jo verlegen.
    »Viel Glück. Wir treffen uns bestimmt auf der Rennbahn.«
    Mit diesen Worten eilte sie zurück zu den Ställen.
    Jo holte mit nassen Augen ihren Lohn ab und kehrte zurück in ihr Zimmer. Selbst die Sekretärinnen im Büro waren über ihren Anblick erschrocken. Zum Glück wirkten die Tabletten des Tierarztes rasch, sodass Jo nach zwei weiteren Würgeanfällen wenigstens ein Glas Wasser bei sich behalten konnte. Sie rülpste, starrte auf ihre Kommode und fragte sich benommen, was sie nun machen sollte. Jeder Knochen im Leibe tat ihr weh, und sie hatte keine Ahnung, wie sie von hier wegkommen und wohin sie gehen sollte. Ihr erster Gedanke war, Tante Sarah anzurufen und sie um Obdach zu bitten. Dann jedoch fielen ihr Emmas Worte ein, Tante Sarah sei außer sich gewesen, als sie von dem Betrug erfuhr. Im Moment hatte Jo keine Kraft für die Vorwürfe, die sie vermutlich über sich ergehen lassen müsste, auch wenn Sarah ihnen laut Emma inzwischen verziehen hatte.
    Müde zog sie ihren Koffer aus dem Schrank und begann, langsam ihre Sachen zusammenzufalten. Die Stunde, die Kurt ihr zugestanden hatte, war zwar längst überschritten, doch das kümmerte sie in ihrer Erschöpfung nicht mehr. Endlich war sie fertig. Eine Wasserflasche in der Hand, schulterte sie ihre Handtasche, griff nach ihrem Koffer, sah sich ein letztes Mal um und ging die Treppe hinunter und durch das Tor von Stockenham Park.
    Sie erwischte den letzten Bus ins Dorf Stockenham, wo sie die erste Nacht in einer schäbigen kleinen Pension verbrachte, in der es nach feuchtem Schimmel roch und deren Fenster einen freien Blick auf einen Müllhaufen boten. Doch Jo beschloss, dass ein Umzug sich nicht lohnen würde, da sie ohnehin vorhatte, bei einem anderen Reitstall in der Gegend anzuheuern. Sie bezahlte der dicken Wirtin mit dem struppigen Haar eine Wochenmiete im Voraus. Dann mietete sie sich mit einem Teil ihres Ersparten ein Auto und machte sich auf Arbeitssuche. Von der Lebensmittelvergiftung erholte sie sich rasch, nicht so schnell ließen sich aber die Folgen von Kurts Boshaftigkeit überwinden. Er hatte eine Reihe hässlicher Gerüchte über sie verbreitet, die sich in Windeseile herumsprachen. Jo klapperte einen Reitstall nach dem anderen ab und musste feststellen, dass sie in den Augen der hiesigen Renngemeinde nicht mehr als die Retterin des besten

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