Wohin der Wind uns trägt
Outsiders Schulter geheilt hatte, stand sie im Mittelpunkt, was Faith ziemlich wurmte. Dennoch musste sie zugeben, dass Kurt übertrieben reagiert hatte.
»Ich mache es wieder gut«, sagte sie, während sie das Pferd mit heftigen Bewegungen trockenrieb. »Wir wollten John zum Essen einladen, wenn er von der Beerdigung seiner Großmutter zurück ist. In Tenbury gibt es einen tollen kleinen Pub mit fantastischer italienischer Küche. Ich gebe dir Bescheid.«
»Oh, danke«, erwiderte Jo erstaunt. Nun besser gelaunt, schnalzte sie mit der Zunge, um ihr Pferd zum Weitergehen anzutreiben. Die beiden Mädchen ritten langsam über die Wiesen zurück, deren hohes Gras ihre Beine streifte. Am Tor angelangt, folgte Jo Faith auf die Straße. Wildrosen und schneeweiße Waldrebe überwucherten die Hecken. Die Hufe der Pferde klapperten auf dem Straßenbelag. Über ihren Köpfen sang eine Lerche. In einer Umgebung wie dieser war es schwierig, lange schlechter Laune zu bleiben.
John kehrte in der folgenden Woche nach Stockenham Park zurück, und alle Kollegen zwängten sich in ihre verbeulten alten Autos und fuhren ins Horse & Groom nach Tenbury Wells. Die ausgelassene Gesellschaft vertilgte Berge von Spaghetti und Ravioli und tat sich am roten Hauswein gütlich. Jo, die in Experimentierlaune war, bestellte Tintenfisch in einer köstlichen Kräuter-Knoblauch-Sauce. Der Abend erfüllte seinen Zweck, John aufzuheitern, und kurz nach Mitternacht fielen alle in ihre Betten.
In den frühen Morgenstunden wachte Jo mit Magenkrämpfen auf. Sie kroch aus dem Bett und torkelte ins Bad, wo sie sich übergab und bewusstlos zusammenbrach. Nach einer Weile kam sie auf dem kalten Linoleumboden zu sich, und verbrachte die nächste Stunde damit, sich wieder und wieder zu erbrechen. Schließlich taumelte sie, leichenblass und gekrümmt vor Schmerzen, zurück ins Bett.
»Mein Gott, du siehst ja schrecklich aus«, sagte Faith, die gerade dabei war, sich zur Arbeit anzuziehen. »Soll ich den Arzt verständigen?«
Jo schüttelte den Kopf. Im nächsten Moment floh sie, sich den Bauch haltend, schon wieder ins Bad.
»Richte den anderen aus, ich schaffe es heute nicht zur Bahnarbeit. Aber ich komme zum Stall, sobald das aufhört«, keuchte sie. Sie hatte einen säuerlichen Geschmack nach Erbrochenem im Mund.
»Keine Sorge, ich erkläre alles«, rief Faith durch die halb offene Tür, während sie sich den Pullover anzog und ihr Haar zurückband. »Das war bestimmt der Tintenfisch. Du hast als Einzige welchen gegessen.«
Sie ging hinaus und ließ Jo benommen auf dem Badezimmerboden zurück.
Nach einer Weile rappelte Jo sich auf und suchte im Medizinschränkchen nach etwas, um den Brechreiz zu stoppen. Aber sie konnte die Tablette kaum eine Minute bei sich behalten. Schließlich kroch sie zurück ins Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf. Gegen zehn erwachte sie und setzte sich vorsichtig auf. Vom Würgen taten ihr alle Muskeln weh, und sie war völlig erschöpft. Allerdings konnte sie sich offenbar wieder bewegen, ohne sich übergeben zu müssen. Also zog sie sich langsam an und ging zur Arbeit.
Die für gewöhnlich so willkommenen Stallgerüche schlugen ihr entgegen wie eine Wand. Ihr Magen revoltierte beim Ausmisten einer Box. Sie fragte sich, wie lange sie den Gestank nach Pferdemist wohl würde ertragen können. Kurt beobachtete sie von seinem Büro aus. Als Faith ihm die Nachricht überbrachte, hätte er beinahe laut losgelacht. Offenbar sollte Willie recht behalten. Mit hochgerecktem Kinn marschierte er siegessicher auf Jo zu. Seine Absätze klapperten auf dem Pflaster. Er riss die Tür auf, das Sonnenlicht fiel von hinten auf seine hagere Gestalt, sodass er aussah wie ein böser Geist. Jo stützte sich schwer auf die Heugabel und stammelte eine Entschuldigung.
»Meine Geduld mit dir ist zu Ende. Ich habe dich letzte Woche gewarnt«, brüllte Kurt mit finsterem Blick. »Wir betreuen wertvolle Pferde. Wenn dir das Verantwortungsgefühl fehlt, dein Privatleben einzuschränken, kann ich dich nicht gebrauchen. Du kannst dir in der Buchhaltung deinen Lohn abholen.«
»Aber hat Faith dir denn nicht ausgerichtet … Ich habe eine Lebensmittelvergiftung. Die Meeresfrüchte waren verdorben«, protestierte Jo und durchwühlte hektisch ihre Hosentaschen nach einem Taschentuch. Die Magenkrämpfe kehrten zurück.
»Ja, ja, schon gut. Hol dir deinen Lohn und verschwinde. In einer Stunde will ich dich nicht mehr hier sehen. Du bist nicht länger in
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