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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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grünlichen Flecken bedeckt.
    »Wie viele Pferde haben Sie?«, erkundigte Jo sich beiläufig, als sie die wackelige Holztreppe hinunterstiegen. Dabei beobachtete sie den alten Mann aufmerksam. Trotz seiner Ungepflegtheit und der zerschlissenen Kleidung hatte er etwas Rührendes an sich. Seine wasserblauen Augen blickten traurig.
    »Zehn, zusammen mit meinem Kumpel Will. Sie sind zwar nicht olympiareif, aber uns genügen sie. Seit mir mein Rücken zu schaffen macht und Will schwer krank ist, läuft es bei uns nicht mehr so, wie es eigentlich sollte. Bis zum letzten Sommer sah das Gestüt noch ganz anders aus. Haben Sie Angst vor schwerer Arbeit?«
    Jo schüttelte den Kopf, wurde jedoch vom Husten eines Pferdes abgelenkt.
    »Ist eines Ihrer Pferde krank?«, fragte sie.
    Es interessierte sie nicht, ob der alte Mann sie für neugierig hielt. Sie hatte ohnehin nicht vor zu bleiben.
    »Sie hat sich vor ein paar Tagen etwas eingefangen. Wenn sie sich nicht bald erholt, muss sie zum Abdecker. Ein Jammer, sie ist ein gutes Pferd, und ich habe ihr viel zu verdanken«, sagte er. Jo vermeinte, Tränen in seinen Augen zu sehen.
    Jo watete durch den Schlamm und Mist und spähte über die Stalltür. Ihr Herz machte einen Satz. Die Stute sah fast genauso aus wie die, die Kurt ihr verboten hatte zu verarzten. Sie kannte sich mit Pferden in diesem Zustand aus. Mit stumpfem Blick und niedergeschlagen stand das Pferd da und keuchte immer wieder heftig. Jo zuckte jedes Mal zusammen. Sie war gerührt, als sie sich zu dem alten Mann umdrehte.
    »Wenn Sie mich lassen, rette ich sie«, verkündete sie. Ihre Worte hörten sich sogar in ihren eigenen Ohren prahlerisch an.
    »Soso. Offenbar wissen Sie etwas, das ich nicht weiß«, gab Neddy barsch zurück, aber Jo hatte den Funken Hoffnung in den eingesunkenen Augen des alten Mannes gesehen. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, ihm helfen zu können.
    »Ja«, antwortete Jo und erzählte ihm die Geschichte von der Stute in Stockenham Park, die sie hätte heilen können, wenn man es ihr nur erlaubt hätte. Vor ein paar Wochen war sie völlig unnötig auf der Rennbahn gestorben. Sie erzählte Neddy, sie habe ihr ganzes Leben lang mit Rennpferden gearbeitet.
    »Soso«, brummte Neddy wieder. »Wollen Sie den Job oder nicht?«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu.
    »Ich fahre nur meine Sachen holen und bin in einer Stunde zurück, wenn Sie mir erklären, wie ich wieder herfinde«, erwiderte sie grinsend und mit blitzenden Augen.
    Mit einer Mistgabel, einem Wasserschlauch und einem Eimer Farbe ließ sich eine Menge bewirken. Und wenn sie schon einmal dabei war, konnte sie in der Stadt einen neuen Toilettensitz und Desinfektionsmittel besorgen. Sie eilte zum Auto, um die Karte zu holen.
    »Ich muss verrückt sein«, dachte sie.
    Aber dieses Pferd durfte nicht sterben.
    Nach einem Monat harter Arbeit war das Anwesen nicht wiederzuerkennen. Jo hatte mit den Ställen angefangen, zuerst die Boxen ausgemistet und das Gebäude bis in die letzte Ecke ausgespritzt und desinfiziert. Unterstützt von einem Jungen aus dem Dorf, den sie von der nahe gelegenen Milchfarm abgeworben hatte, wechselte sie das alte Stroh gegen frisches aus. Die Fliegen wurden vertrieben und der Mist dort verteilt, wo er nützlich war.
    Nach einem nicht sehr harmonischen Auftakt mit dem Bereiter, der häufig zu spät oder gar nicht kam und ständig über die schlechte Bezahlung nörgelte, gelang es Jo, einen Arbeitsplan aufzustellen, der ihrer beider Bedürfnisse entsprach. Sie ritt die Pferde an den Wochenenden und falls der Mann während der Woche zu einem Rennen musste, und sie erklärte sich bereit, ihn bar zu bezahlen, wenn er pünktlich erschien. Dafür stimmte er zu, ihr rechtzeitig Bescheid zu geben, falls ihm etwas dazwischenkommen sollte. Meistens klappte es dank dieses Arrangements ganz gut.
    Außerdem bemühte sich Jo mit Neddys Hilfe, die Stute gesund zu pflegen. Sie brauchte zwei Tage, um Neddy dazu zu überreden, den Tierarzt zu holen. Die Hausmittelchen seines Großvaters schienen einfach nicht zu wirken. Dem Tier ging es danach immer noch schlecht, und Jo befürchtete schon, zu spät gekommen zu sein. Doch endlich wirkten die Antibiotika, und die Flüssigkeit konnte aus den Lungen des Pferdes abgesaugt werden. Allmählich kehrte so – unterstützt durch besseres Futter und die Kräutertinkturen von Jos Vaters – Leben in die Augen der Stute zurück, und ihr Fell glänzte wieder.
    Ab dem Tag, an dem die Stute den

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