Wohin der Wind uns trägt
bereiten.«
Die Wunden, die Sallys Betrug hinterlassen hatte, waren noch nicht verheilt. Außerdem hatte es auf einigen Rennbahnen in der Provinz in letzter Zeit Dopingskandale gegeben.
Jo sah, wie sich die Leistungen des Pferdes von Tag zu Tag steigerten, und ihre Hoffnungen wuchsen.
»Schau ihn dir an. Er schwitzt kaum. Noch eine Runde, Judy«, rief sie der Bereiterin zu und lehnte sich aus dem Fenster des Beobachtungsturms.
Heute war ein hektischer Tag. Die schwitzenden Pferde dampften. Sie wurden nach dem Galoppieren zum Absatteln geführt, während ihre Reiter zum nächsten Tier wechselten. Jo sauste von Fenster zu Fenster, lauschte dem Atem der Pferde und beobachtete die schemenhaften Gestalten, die angefeuert von Winks um die Bahn preschten. Inzwischen standen wieder vierzig Pferde im Stall, was zum Teil dem zunehmend beliebten Champagnerfrühstück zu verdanken war. Allerdings lag noch ein ganzes Stück Arbeit vor ihnen, bis die Kingsford Lodge wieder im alten Glanz erstrahlte.
Nach dem morgendlichen Training fuhr Jo nach Hause, um sich ihr verdientes Frühstück zu genehmigen. In der Küche machte sie sich Marmeladentoast und Tee und ging damit in den Wintergarten, wo ihr Vater ein Buch über die neuesten Zuchtverfahren las.
»Let’s Talk ist nicht zu bremsen«, verkündete Jo stolz, und bald diskutierten sie angeregt über das Training.
»Komm vorbei, dann kannst du dich selbst überzeugen«, sagte Jo, als Charlie eine besonders kleinliche Bemerkung machte. »Schließlich warst du inzwischen häufig im Stall, und mit den Dingern kommst du gut zurecht.« Sie wies auf seine Krücken. »Vergiss deinen Stolz, Dad. Phillip und ich helfen dir schon auf den Beobachtungsturm.« Sie wusste, dass seine gereizte Stimmung unter anderem an seiner Ungeduld lag. Außerdem wirkte er an diesem Morgen ungewöhnlich müde.
»Ich setze erst wieder einen Fuß auf die Bahn, wenn ich ohne fremde Hilfe gehen kann«, knurrte Charlie.
Seiner Hand gelang es kaum, das Buch auf dem Schoß festzuhalten. Er hatte sich etwas vorgenommen und war nicht bereit, davon abzurücken. Alles andere hätte in seinen Augen eine Niederlage bedeutet. Mittlerweile konnte er schon kurze Strecken mit nur einer Krücke zurücklegen.
»Ich schaue mir die Ergebnisse im Fernsehen an. Wenn du nur auf mich hörst, werden wir es schaffen.«
»Es ist aber nicht dasselbe, Dad. Warum musst du nur so stur sein?«
Auch Jo war erschöpft und hätte sich gefreut, wenn ihr Vater ihre Arbeit vor Ort beurteilt hätte. Außerdem traf es sie hart, dass er ihr zwar die Verantwortung für die Ausbildung der Pferde aufbürdete, sie aber kritisierte, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen ablief. Eine Weile saßen sie einfach da, beide in Gedanken versunken.
»Was Phillip betrifft …«, begann Charlie in scherzhaftem Tonfall und brach damit das Schweigen. »Ständig höre ich nur diesen Namen. Es heißt bloß noch Phillip hier, Phillip da. Hast du vielleicht vergessen, mir etwas zu erzählen?«
»Er ist mein Tierarzt und ein guter Freund, mehr nicht«, erwiderte Jo gähnend und hielt ansonsten den Mund.
»Stimmt das wirklich?«, bohrte Charlie nach.
»Ja. Ich lege mich ein bisschen hin.« Jo stand auf und errötete heftig.
»Und ausgerechnet du wirfst mir Sturheit und Stolz vor«, rief Charlie Jo nach, als diese aus dem Zimmer stürmte. Sie war verärgert und wünschte, ihr Vater hätte sie nicht sofort durchschaut.
Viele Tage und Wochen arbeitete Jo mit Let’s Talk, und Phillip unterstützte sie dabei. Sie ließ ihn an Rennen teilnehmen, die er mühelos gewinnen konnte, um sein Selbstbewusstsein aufzubauen, und konfrontierte ihn dann mit ernsthaften Konkurrenten. Langsam aber sicher sammelte das prachtvolle Pferd die Siege, die es brauchte, um sich für den Melbourne Cup zu qualifizieren. Mit seinen Marotten eroberte es sich die Herzen des australischen Publikums und zog immer größere Zuschauermengen an.
Jo hatte Vertrauen zu Glen, dem Pferdepfleger, der für Let’s Talk zuständig war. Er liebte das Pferd ebenso wie sie, und sie war sicher, dass es dem großen Fuchs in seiner Obhut an nichts fehlen würde. Ihr Verhältnis zu Let’s Talk war ähnlich wie das zu Outsider, und sie wendete alle ihr bekannten Methoden an, damit das Pferd gesund blieb, Ruhe bewahrte und sich nicht so rasch wegen Kleinigkeiten erschreckte.
Als Jo das Pferd unter den verschiedensten Bedingungen auf die Probe stellte, konnte sie keine Schwäche bei ihm entdecken. Es gab
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