Wohin der Wind uns trägt
verfolgt, und ich habe auch schon mit Dad darüber gesprochen. Er ist strikt dagegen und bezeichnet es als Verschwendung von Zeit, Kraft und Geld. Wir hatten deshalb sogar eine kleine Auseinandersetzung, doch ich halte es grundsätzlich für möglich. Das ist meiner Ansicht nach der einzige Weg, um dem Rennstall wieder auf die Beine zu helfen. Ohne drastische Veränderungen werden wir nur weiter von Krise zu Krise taumeln.« Sie holte tief Luft. Charlie ermüdete noch immer leicht und verbrachte nur wenig Zeit in den Ställen, sodass seine Unterstützung hauptsächlich in den täglichen Besprechungen mit Jo bestand. »Was hältst du von einem Champagnerfrühstück an jedem Sonntag, sozusagen als ›Tag der offenen Tür‹ für Besitzer und zukünftige Kunden?«
»Erzähl weiter«, forderte Phillip sie neugierig auf.
Begeistert schilderte Jo ihm ihre Idee, sich regelmäßig mit den Besitzern zu treffen, damit diese sich ansehen konnten, wie mit ihren Pferden gearbeitet wurde. Auf diese Weise würde sie ihnen sämtliche Maßnahmen erklären und dafür sorgen können, dass sie sich in die Ausbildung einbezogen fühlten.
»Ich bin sicher, dass das klappt«, rief sie mit geröteten Wangen.
»Das wäre etwas ganz Neues. Wundere dich also nicht, wenn anfangs alle über dich herfallen«, warnte Phillip.
»Was könnte mich nach den letzten Monaten noch schrecken?« Jo sprudelte förmlich über vor Einfällen. »Ich möchte, dass immer ein paar von den Jockeys dabei sind, insbesondere Damien, der inzwischen ziemlich bekannt ist. Wenn sich die Sache erst einmal eingespielt hat, werde ich Dad bearbeiten, damit er sich ebenfalls blicken lässt.« Sie zögerte. »Wärst du bereit, die tierärztlichen Aspekte zu erläutern?«
»Du erinnerst mich an einen Expresszug. Wie machst du das bloß? Man braucht dir nur einen Vorschlag hinzuwerfen, und fünf Minuten später heißt es schon volle Kraft voraus.« Phillip schmunzelte. »Übrigens freue ich mich, dass dein Dad wieder am Alltagsgeschehen teilnimmt, auch wenn ihm die Idee nicht gefällt.«
»Und was hältst du selbst davon?«, beharrte Jo, froh über seine Unterstützung.
»Klar mache ich mit. Ein Versuch kann nicht schaden. Aber nur unter einer Bedingung …«
»Und die wäre?«
»Dass ich dich noch einmal küssen darf, nur um mich zu vergewissern, dass ich vorhin nicht geträumt habe.«
Jo legte lachend den Kopf in den Nacken, er zog sie fest an sich und küsste sie mit Nachdruck auf den Mund. Nach einer Weile trennten sie sich atemlos.
»Du bist wunderschön«, sagte Phillip und hauchte ihr zärtlich einen Kuss auf die Stirn. Endlich ließen sie sich wieder los, und Jo stieß einen zufriedenen Seufzer aus.
»Wir sollten wenigstens so tun, als würden wir arbeiten«, kicherte sie und trat mit Phillip hinaus ins Freie.
Zum ersten Mal seit Monaten fühlte sie sich unglaublich ruhig. Sie berichtete ihm von den alltäglichen Kleinigkeiten, von denen sie während seiner Abwesenheit niemandem hatte erzählen können. Es war, als wäre ein Teil von ihr nach einer langen Reise endlich am Ziel angekommen.
Zwei Wochen später war die Besitzergemeinschaft, von der Jo geträumt hatte, Wirklichkeit geworden, und Let’s Talk begann ernsthaft, für den Melbourne Cup zu trainieren.
Da die Anzahl der Pferde in der Kingsford Lodge stetig stieg, war Jo bald völlig vom Training und den Rennveranstaltungen mit Beschlag belegt.
Eine Sorge war zwar geblieben, aber Jo beschloss, sich in Geduld zu üben. Das Problem bestand darin, dass derzeit alle Trainer und Besitzer Ausschau nach den besten Jockeys für ihre Pferde hielten. Damien hatte die meisten Siege zwar mit Pferden der Kingsford Lodge gehabt, allerdings in letzter Zeit auch für andere Ställe Trophäen errungen. Jo war sich nicht sicher, ob er ihr die Treue halten würde.
Die Antwort erhielt sie von unerwarteter Seite, und zwar während des ersten Champagnerfrühstücks. Die Ställe waren blitzblank geputzt, doch die Veranstaltung selbst entpuppte sich als Enttäuschung, da sich nur fünf Besitzer und ein unzufriedener Kunde eines anderen Rennstalls blicken ließen. Jo war froh, dass Damien in Begleitung seiner Freundin erschien, der der Spitzname Hopeless geblieben war.
»Ein Anfang ist gemacht«, meinte Jo bemüht fröhlich zu Pete und Phillip. Bei Hopes Anblick weiteten sich ihre Augen vor Erstaunen. Die Wangen des Mädchens waren gerötet, und dank Ninas gekonnter Bemühungen hatte sich ihr Aussehen drastisch
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