Wohin der Wind uns trägt
des landesweiten Fernsehens aufgehalten wurde, die sich danach erkundigten, wie sie die Chancen ihres Pferdes einschätzte, sah sie endlich Hope. Das junge Mädchen schwankte auf zwölf Zentimeter hohen Absätzen einher, und ihre Brüste quollen aus einen engen Kleid in einem auffälligen Orange. Jo entschuldigte sich bei den Reportern und rannte auf Hope zu.
»Ich habe Damy seinen Glücksbringer gebracht. Er ist gerade beim Wiegen. In der Seidenjacke sieht er fantastisch aus«, flüsterte Hope dramatisch.
Ihr mit grellrotem Lippenstift verschmierter Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. Mit einem erleichterten Seufzer tätschelte Jo dem Mädchen den Arm und ging zu der Menschenmenge hinüber, die sich um Let’s Talk scharte.
Die Kapelle stimmte »Waltzing Matilda« an, und die Zuschauer sangen aus voller Kehle mit. Jo bekam eine Gänsehaut und erlitt einen Anfall von Nationalstolz. Die am Melbourne Cup teilnehmenden Jockeys wurden vom Platzsprecher einzeln aufgerufen und schritten in ihren glänzenden Seidenjacken zum Podium. Ihr Herz klopfte vor Aufregung, und ihre Handflächen wurden feucht, als sie sich zu Glen gesellte. Dieser hielt Let’s Talk am Zügel, damit Damien aufsitzen konnte. Das Pferd sah mit seinem glänzenden Fell, den aufgerichteten Ohren und den vor Anspannung bebenden Flanken prächtig aus. Mit trockenem Mund kontrollierte Jo noch einmal Sattel und Bleigewichte und gab Damien die letzten Instruktionen. Dann half sie ihm in den Sattel.
»Der Preis gehört uns«, murmelte Damien und beugte sich mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck zu Jo hinunter.
Sein Körper erinnerte an eine gespannte Feder. Er steckte die Füße in die Steigbügel; seine rosa und gelbe Seidenjacke glänzte in der Sonne. Die Anspannung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Also los«, meinte Jo rasch und ergriff Damiens Hand. Nach der abergläubischen Tradition auf der Rennbahn waren Glückwünsche streng verboten.
Mit einem Nicken in Jos Richtung tätschelte Damien Let’s Talk den Hals. Dann trieb er das Pferd, an dessen Satteldecke deutlich die große gelbe Startnummer prangte, vorsichtig an. Nervös scheuchte Jo Let’s Talks Mitbesitzer zur Teilnehmertribüne. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Kurt mit dem Parcourschef sprach. Doch sie verzog nur das Gesicht und zwang sich, nicht darüber nachzugrübeln, was der böse kleine Mann wohl im Schilde führen mochte.
Im nächsten Moment blieb ihr fast das Herz stehen, denn sie hörte, wie sie über Lautsprecher zum Parcourschef gebeten wurde. Voller Angst, sie könnte etwas Wichtiges vergessen haben, ließ sie ihre wild durcheinanderredenden Mitbesitzer stehen und folgte hastig der Aufforderung. Sie stürmte voller Angst in den Raum, traf dort aber nur einen lächelnden jungen Mann an, der ihr ein Fernglas entgegenstreckte. In ihrer Eile hatte sie es vorhin auf dem Platz liegen lassen. Vor Erleichterung wurden Jo die Knie weich, und ihre Nachlässigkeit war ihr ziemlich peinlich. Nach ihrer Rückkehr beruhigte sie rasch die Besitzer und gesellte sich zu Phillip und Elaine.
Noch nie im Leben war Jo so nervös gewesen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit den Pferden zu, die vor den jubelnden Zuschauern auf und ab paradierten, und ihre freudige Erwartung wuchs. Das war der Augenblick, auf den die ganze Nation gewartet hatte. Bereits in Feierstimmung und beflügelt vom Champagner, war das Publikum in der richtigen Laune, um Beifall zu spenden. Und als Let’s Talk wie immer majestätisch auf der Stelle verharrte, um mit dem Huf zu scharren und seinen Applaus einzufordern, geriet die Menge außer Rand und Band. Let’s Talk sonnte sich im Beifall, und je häufiger sich das Pferd verbeugte, desto lauter klatschten die Zuschauer. Die ganze Szene wurde direkt im landesweiten Radio und Fernsehen übertragen.
Die Nachricht von dem versuchten Raubüberfall auf Damien hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Das Mitgefühl der Menschen galt dem jungen Jockey. Außerdem war zu spüren, dass Let’s Talk sich heute weniger kapriziös gebärdete – als ahne er, dass er mit seinem Reiter vorsichtig umgehen müsse. Obwohl Rosys Pferd Valiant mit Dennis Cook im Sattel favorisiert war, und niemand trotz des Medienrummels wirklich mit einer Platzierung von Let’s Talk rechnete, trug das einfühlsame Verhalten des Hengstes zur allgemeinen Begeisterung bei. Die Leute jubelten, pfiffen, klatschten, trampelten mit den Füßen und riefen seinen Namen. In den nächsten fünf Minuten
Weitere Kostenlose Bücher