Wohin der Wind uns trägt
mitmachen, und das in meinem Alter!«, sagte Elaine und drückte Jo an sich. »Du siehst hinreißend aus. Ich wünschte, wir hätten den albernen Sturkopf, der dein Vater ist, zum Mitkommen überreden können, aber wenn er sich dagegen entschieden hat, ist nichts mehr zu machen.«
Sie zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich rasch die Augenwinkel ab.
»Gran! Liebe, wunderbare Gran! Was für eine Überraschung!«, jubelte Jo lachend und wischte sich ebenfalls die Augen.
»Nun, jemand muss die Familie ja vertreten. Schließlich lassen wir Kingsfords nicht alle Tage ein Pferd beim Melbourne Cup starten«, erwiderte Elaine, die sich wieder gefasst hatte. »Ich habe mich ganz reizend mit Emma unterhalten. Verrate mir, auf welches Pferd ich beim nächsten Rennen setzen soll, mein Kind. Vielleicht hat dein junger Mann einen Tipp für mich.« Sie lächelte Phillip zu. »Schön, Sie zu sehen, Phillip.«
Jo errötete.
»Phillip ist mein Tierarzt, Gran!«
»Ich weiß, mein Kind, und er schlägt sich in Sydney sehr wacker, wie ich höre.« Elaine studierte ihr Rennprogramm und hakte sich bei Jo unter. »Erzähl deiner Großmutter alles, was in letzter Zeit so passiert ist.«
Jos Freude über das Wiedersehen mit Elaine milderte ihre Enttäuschung ein wenig, als Let’s Talk beim Derby nur Vierter wurde. Allerdings verstärkte das Erscheinen ihrer Großmutter auch das Gefühl der Kränkung darüber, dass weder Charles noch Nina es für nötig gehalten hatten, zu den diesjährigen Rennveranstaltungen zu kommen. Allerdings hatte Nina wenigstens angerufen, um ihr alles Gute zu wünschen.
»Eigentlich dachte ich, Mum würde Dad dazu überreden herzufliegen. Seine dämlichen Krücken interessieren doch niemanden«, flüsterte Jo Elaine zu, die rasch ihren Arm tätschelte.
Let’s Talk wurde beim MacKinnon Hindernisrennen Dritter, was Jos Stimmung schlagartig besserte. Nun war sie überzeugt, dass ihr Pferd den Mut und das Durchhaltevermögen besaß, die im großen Abschlussrennen gefordert waren.
»Wenn er sich in der Mitte des Feldes behauptet, bin ich schon froh«, gestand Jo Phillip, nachdem sie das letzte Nenngeld bezahlt hatte, sodass Let’s Talks Teilnahme am Melbourne Cup nichts mehr im Wege stand.
»Ich will dich ja nicht ängstigen, aber Damien hat mir erzählt, dass er und Hope gestern auf dem Rückweg zum Hotel verfolgt worden sind. Er sprach von einem weißen Auto, das rasch weggefahren sei, als sie in die Hotelauffahrt einbogen«, berichtete Phillip. Sie schlossen gerade zusammen den Stall ab. Jo erbleichte. »Vermutlich steckt nichts dahinter, aber Damien glaubt, den Wagen schon einmal gesehen zu haben, seit wir hier sind. Er wirkte ziemlich besorgt. Ich denke, jemand sollte bei ihm bleiben, bis das Rennen vorbei ist.«
»Ich werde Pete bitten, nicht von seiner Seite zu weichen«, antwortete Jo entschlossen und wünschte, den Dienstag endlich hinter sich zu haben. Sie fing Damien beim Verlassen der Rennbahn ab und erklärte ihm ihren Plan, doch der Jockey war gar nicht erfreut.
»Mit Pete als Babysitter würde ich mir wie ein Idiot vorkommen. Das Theater macht mich ganz verrückt, und außerdem ist mir das Auto seitdem nicht mehr aufgefallen. Vielleicht war es nur Einbildung. Mir passiert schon nichts, Jo. Und außerdem ist Hope immer bei mir. Vergessen wir das Ganze, einverstanden? Ich hätte gar nichts sagen sollen.«
Jo, die sich einerseits große Sorgen machte, den hypernervösen Jockey aber nicht weiter aufregen wollte, ließ sich trotz ihres unguten Gefühls von Damien überzeugen.
Am Sonntagmittag war sie bei einem Pferdebesitzer in Toorak zu einem Empfang eingeladen, was sie für ein paar Stunden von ihren Befürchtungen ablenkte. Den Nachmittag nutzte sie, um richtig auszuschlafen und sich zu erholen. Als sie am Montag auf die Rennbahn zurückkam, erfuhr sie, dass Damien und Hope beim Verlassen eines Restaurants überfallen worden waren. Also war das weiße Auto offenbar doch kein Produkt von Damiens Fantasie gewesen.
»Hopes markerschütterndes Geschrei hat sie in die Flucht geschlagen«, meinte Damien lachend und zuckte zusammen, als er seiner Freundin den Arm um die Taille legte. Heute konnte er sich zwar schon wieder über das Abenteuer amüsieren, doch gestern war ihm ganz und gar nicht zum Lachen zumute gewesen. Er rieb sich die Rippen, wo ihn die Faust eines der Angreifer erwischt hatte. Jo war tief erschüttert und hatte außerdem unzählige Dinge zu erledigen.
Abends waren ihre Nerven
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