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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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Wie peinlich!«
    »Denk nicht mehr daran, sie wird es auch nicht tun«, meinte Emma und tätschelte ihrer Freundin aufmunternd den Arm. Dann bot sie Martin ebenfalls ein Pastetchen an.
    Jo biss in den lockeren Blätterteig und beobachtete mit widerstrebender Bewunderung, wie Lelia majestätisch durch den Raum rauschte, einem Gast zulächelte, einem anderen die Hand schüttelte und einem dritten im Vorbeigehen einen Scherz zurief. Die Menge teilte sich, als sie, Simon an der Hand, hin und her schlenderte. Am meisten erstaunte Jo, wie glücklich und zufrieden die Menschen wirkten, wenn die gertenschlanke Schönheit mit der gekünstelten Art das Wort an sie richtete. Doch im ersten Moment hatte selbst Jo sie sympathisch gefunden.
    »Sie ist traumhaft schön, mit dem attraktivsten Mann im Raum verlobt, und nach dem heutigen Abend werde ich die beiden wohl nie wieder sehen. Warum fühle ich mich dann, als hätte ich gerade eine Begegnung mit einer Klapperschlange gehabt?«, seufzte Jo. Nach dem fünften Glas Champagner war ihre Zunge bereits ein wenig schwer. Emma war so mit Martin beschäftigt, dass sie kein Wort hörte. Jo beschloss, sich sinnlos zu betrinken.
    Am nächsten Morgen war es noch dunkel, als Jo von Emma wach gerüttelt wurde. Sie setzte sich langsam auf und hielt sich den heftig pochenden Schädel, in dem Tausende kleiner Hämmerchen zu wüten schienen.
    »Habe ich das neue Jahr eigentlich bei Bewusstsein erlebt?«, fragte sie und öffnete vorsichtig ein Auge.
    »Hast du. Du hast gesungen und getanzt. Und abgesehen davon, dass du unbedingt mit Simon Charleston tanzen wolltest, aber dann plötzlich hinausgelaufen bist, um in Tante Frances’ Toilette zu kotzen, warst du ausgesprochen charmant. Wie machst du das bloß, Jo?«
    »Keine Ahnung«, stöhnte Jo und ließ sich mit geschlossenen Augen zurück in die Kissen sinken. »Ich war noch nie betrunken. Und wenn das dabei herauskommt, erspare ich mir das in Zukunft.«
    »Sehr gut. Und jetzt steh auf«, drängte Emma gnadenlos. »In vierzig Minuten treffen wir die Jagdgesellschaft bei den Hiscott-Halls.«
    »Ich glaube, ich muss sterben«, jammerte Jo, ohne sich zu rühren.
    »Nein, musst du nicht. Und selbst wenn, du kommst trotzdem mit. Tante Sarah lehnt die Jagd zwar kategorisch ab«, erklärte Emma. »Doch einmal im Jahr lässt sie sich erweichen, damit sie ihre hausgemachte Suppe für zehn Pfund pro Teller verkaufen kann. Bei diesen arktischen Temperaturen haben immer alle zugegriffen. Sie und Frances sind vor etwa sechs Jahren auf die Idee gekommen, und inzwischen ist die Hiscott-Jagd so eine Art Tradition geworden. Sarah bekommt dabei stets ein ordentliches Sümmchen für das Rote Kreuz zusammen.«
    »Reitest du mit, Emma?«, fragte Jo, kletterte vorsichtig aus dem Bett und versuchte, nicht auf ihren pochenden Schädel zu achten.
    »Ich weiß noch nicht. Ich habe mich mit Martin in Shelsey Manor verabredet. Vielleicht helfen wir nur beim Suppeverteilen und unternehmen dann allein einen Ausritt«, meinte sie und grinste Jo verschwörerisch zu.
    »Sei vorsichtig«, mahnte Jo.
    »Du auch. Ich habe die Blicke gesehen, die Lelia dir gestern zugeworfen hat. Es ist nicht ratsam, sie sich zur Feindin zu machen, und es hat ihr gar nicht gefallen, dass du mit ihrem geliebten Si getanzt hast.«
    »Sei nicht albern, Emma. Die beiden sind verlobt. Bestimmt interessiert er sich nicht für ein albernes Schulmädchen, das auf der Silvesterfeier zu viel Punsch erwischt hat.«
    »Den Eindruck hatte ich nicht«, erwiderte Emma.
    »Du hast eben eine blühende Fantasie«, entgegnete Jo und schleppte sich ins Bad.
    Dank einiger Tassen schwarzen Kaffees, ein paar Schmerztabletten und der eisigen Luft besserten sich Jos Beschwerden ein wenig. Sie bestand darauf, Tante Sarah zehn Pfund für die Suppe zu geben, die sie dann doch verschmähte, und beobachtete, immer noch schlaftrunken, wie sich die Reiter in der Dämmerung auf dem Vorplatz versammelten.
    Die Hunde begannen aufgeregt zu bellen, und die Hufe der Pferde klapperten auf dem Kopfsteinpflaster. Sofort fühlte sich Jo ein bisschen besser. Wie Tante Sarah war Jo eigentlich eine Gegnerin der Jagd, doch als ihr ein Stallbursche ein Pferd brachte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen. Vorsichtig stieg sie auf und band den Kinnriemen ihrer Reitkappe fest. Ihr schwummeriges Gefühl wurde von Hochstimmung abgelöst, während sie ihr Pferd tätschelte und es antrieb. Als die Hörner die Jagd anbliesen, zuckte sie leicht

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