Wohin der Wind uns trägt
zusammen.
Kurz darauf preschte sie über die schneebedeckten Felder, auf denen die vorneweg eilenden braunweißen Hunde aussahen wie winzige Pünktchen. Sie sprang über Zäune und Gräben und genoss den Ritt. Ihre Wangen prickelten von der Kälte, und sie fühlte sich glücklich. Beim Sprung über einen Graben bemerkte sie einen Sturz von Simon. Sie wollte anhalten, um sich zu vergewissern, dass er nicht verletzt war. Doch er stieg rasch wieder auf und galoppierte in den dunstigen Morgen hinein. Zu Jos Erleichterung fehlte von Lelia jede Spur. Im nächsten Moment schloss Sally Compton zu ihr auf. Die beiden Frauen ritten gemächlich nebeneinander her, plauderten über Pferde, Modenschauen und die neuesten auf der Rennbahn bewunderten Kreationen und ließen die anderen an sich vorbeipreschen. Jo erfreute sich an der idyllischen Landschaft und genoss es, das Pferd unter sich zu spüren. Bis zum Mittagessen hatten sich ihre Kopfschmerzen gelegt, und sie hatte einen Riesenhunger. Wegen des frühen Einbruchs der Dunkelheit im Winter war der Nachmittag rasch vorüber. Jo beschloss, auf die Abschlussfeierlichkeiten in Shelsey Manor zu verzichten, und half Tante Sarah, die großen Suppentöpfe und Schöpfkellen ins ›Krähennest‹ zurückzubringen. Als sie in die Einfahrt einbogen, kam Emma ihnen entgegengelaufen und schwenkte aufgeregt ein Stück Papier.
»Guy Comptons Stallmeister hat angerufen und dich für morgen nach Stockenham Park eingeladen. Er bittet dich, zurückzurufen, sobald du zu Hause bist. Sein Name ist Kurt Stoltz. Da hast du seine Nummer. Ich kümmere mich um Tante Sarahs Töpfe. Geh und ruf ihn gleich an.«
Mit einem Freudenschrei riss Jo Emma den Zettel aus der Hand und stürmte ins Haus, nicht ohne vorher zu versprechen, sich anschließend am Töpfeschleppen zu beteiligen.
»Also?«, fragte Emma, als Jo übers ganze Gesicht grinsend in die Küche kam.
»Um acht Uhr morgen Früh lässt er mich mit dem Wagen abholen. Ich kann es kaum glauben«, jubelte sie und fiel Emma freudestrahlend um den Hals.
Kurt Stoltz war ein kleiner, drahtiger Australier mit aufmerksamen dunklen Augen, denen nichts zu entgehen schien. In seiner Jugend musste er ein gut aussehender Mann gewesen sein, doch inzwischen hatte die jahrelange schwere Arbeit ihren Tribut gefordert. Nachdem Jo aus dem von einem Chauffeur gesteuerten Wagen gestiegen war, begrüßte er sie herzlich, zündete sich eine Zigarette an, hielt wegen des Windes die Hand schützend vor die Flamme und begann sofort zu erzählen, während er die Besucherin durch die blitzblanken Ställe von Stockenham führte.
Jo fühlte sich sofort wie zu Hause und musste daran denken, wie wenig Emmas Beschreibung »dämliche alte Ställe« zutraf. Den Gebäuden war deutlich anzumerken, dass viel Geld investiert worden war. An frisch gestrichenen Stalltüren prangten Namensschilder aus Messing. Leder und Metall in der Sattelkammer waren ordentlich poliert, und nirgendwo lag auch nur ein Strohhalm herum.
»Wir achten sehr auf Sauberkeit«, meinte Kurt und nickte ein paar Stallarbeitern zu, die den wenigen am gestrigen Tag gefallenen Schnee zusammenfegten. Dann zog er an seiner Zigarette und stieß den Rauch durch die Nasenlöcher aus.
»Wissen Sie, ich habe zur gleichen Zeit angefangen wie Ihr Vater. Wir waren vor vielen Jahren für eine Weile sogar Partner«, fuhr er fort, während er Jo einen der wertvollen Vollblüter zeigte. Jo sog den vertrauten warmen Pferdegeruch ein und lauschte gebannt Kurt Stoltz’ Erzählungen. »Ja, Ihr Dad und ich haben mit vier alten Kleppern angefangen. Zwei hatte Ihr Vater geschenkt bekommen, und die ganze Stadt lachte darüber. Meine zwei hatten mich meinen letzten Cent gekostet. Nachdem wir sie sechs Monate aufgepäppelt hatten, haben wie sie für Provinzrennen gemeldet, und dreimal dürfen Sie raten, wer gewonnen hat – die alten Mähren Ihres Vaters. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, aber er hat aus den abgemagerten Kleppern zwei anständige Pferde gemacht, die in den meisten Rennen platziert worden sind.«
»Das hat Dad nie erwähnt«, meinte Jo und beobachtete mit stolzem Blick ein Pferd, das sich in einer Sandkuhle wälzte.
»Er war nie ein Mensch, der sich mit seinen Erfolgen brüstet«, erwiderte Kurt mit einem schiefen Grinsen. »Damals waren wir erst achtzehn, hatten hochfliegende Träume und kamen uns vor wie die Größten. Ich bin sogar einmal mit Ihrer Mum ausgegangen, bevor es zwischen ihr und Ihrem Dad was Ernstes
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