Wohin der Wind uns trägt
Beobachtung bleiben.«
Ninas Aufschrei machte weitere Erklärungen unmöglich. Ohne an das Tablett zu denken, schleuderte sie die Decke beiseite und schwang die Beine über die Bettkante. Ihr Frühstück fiel mit einem lauten Krachen zu Boden. Das rosafarbene Bettjäckchen rutschte ihr von der Schulter. Erschrocken machte Suzie Wong einen Satz vom Bett und verkroch sich unter einem Korbstuhl.
»Meine Babys, Joanna, Ricky, meine wunderschönen kleinen Babys! Wie ist es passiert? Wie konntest du das zulassen? Oh, mein Gott, ich muss zu ihnen!«
Jackie, die das Splittern des Porzellans gehört hatte, kam ins Zimmer gehastet. Nina erhob sich und brach, mitten in einem Haufen von Scherben stehend, in Tränen aus.
»Mrs Kingsford«, entsetzte sich Jackie und eilte auf Nina zu, deren Lippen eine bleiche Färbung angenommen hatten.
»Meine Babys«, schluchzte Nina, und ihre dunklen Augen füllten sich mit Tränen. Ihre schmalen Schultern bebten. Aus dem Telefonhörer in ihrer schlaffen Hand war Charlie zu hören, der verzweifelt ihren Namen rief.
Jackie bugsierte ihre Arbeitgeberin vorsichtig zurück aufs Bett und nahm ihr den Hörer aus der Hand.
»Lassen Sie mich mit Ihrem Mann sprechen, Mrs Kingsford«, meinte sie rasch. Einen Arm fest um Nina gelegt, lauschte sie Charlies Erklärung.
»Ich kümmere mich um alles, Sir«, erwiderte sie dann gelassen. »Nein, nein, sie wird sich schon wieder fangen. Ich sorge dafür, dass Mrs Kingsford sich beruhigt, und erzähle ihr alles. Dann warten wir, bis Sie einen Wagen schicken, um sie abzuholen.«
Nina riss ihrer Haushälterin den Hörer aus der Hand.
»Ich bin keine Kranke und kann selbst fahren«, sagte sie kurz angebunden und wischte sich mit einer Hand die Tränen weg. Am Steuer ihres Bentleys zu sitzen war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen.
»Geht es den beiden wirklich gut, Charlie? Warum können sie dann nicht sofort nach Hause kommen?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
Fünf Minuten später hatte sich Nina ein wenig beruhigt, und ihre Wangen hatten wieder Farbe angenommen. Sie legte den Hörer auf. Inzwischen wagte sich auch Suzie Wong wieder aus ihrem Versteck und leckte nun die Sahne von dem zerbrochenen Porzellan. Nina nahm das kleine Fellbündel in die Arme und drückte es an sich. Erneut traten ihr Tränen in die Augen.
»Mr Kingsford hätte Ihnen niemals gesagt, dass es Miss Joanna und Mr Rick gut geht, wenn es nicht stimmen würde«, beteuerte Jackie. Sie ahnte, dass Nina im Begriff war, sich in einen hysterischen Anfall hineinzusteigern.
Manchmal fragte sie sich, ob Nina überhaupt begriff, wie sehr Mr Kingsford sie liebte und wie er sie gegen die raue Wirklichkeit des Lebens abschirmte.
»Kommen Sie, am besten Sie duschen jetzt erst einmal schön heiß.« Jackie legte Nina einen Morgenmantel aus elfenbeinfarbenem Satin um die Schultern und schob sie ins Bad.
Eine Dreiviertelstunde später entstieg Nina auf dem Gelände des Prince-of-Wales-Krankenhauses ihrem silberfarbenen Bentley. Sie war in ein elegantes, osterglockengelbes Wollkostüm gekleidet, darüber trug sie lässig einen kurzen Kunstpelzmantel mit Leopardenmuster. Ein bauschiger, gelb und elfenbein gemusterter Schal, den sie im Stil von Prinzessin Gracia von Monaco um ihr weiches braunes Haar und ihren Hals geschlungen hatte, rundete die Aufmachung ab.
Charlie kam ihr aus der Notaufnahme entgegengeeilt. Wieder einmal war er froh, dass es Jackie gab. Da er die schwankenden Stimmungen seiner Frau kannte, hatte er befürchtet, sie könnte auf der Fahrt ins Krankenhaus die Nerven verlieren und in einen Unfall verwickelt werden. Aber dank Jackies vernünftiger Art war sie viel ruhiger geworden. Wie immer sah Nina hinreißend aus. Hinreißend und hilflos. Charlie hakte seine Frau unter, begleitete sie in den Warteraum der Notaufnahme und forderte sie auf, Platz zu nehmen.
»Wir müssen abwarten, was der Arzt sagt«, begann er, streichelte sanft ihre Finger und musterte sie eindringlich. Allmählich hörte man ihm die Erschöpfung an, denn es war ein langer und von Angst und Sorge geprägter Vormittag gewesen. »Dann holen wir sie nach Hause. Jackie wird dir bei der Krankenpflege helfen, aber du schaffst das schon. Sie brauchen nur Ruhe.«
Da Nina nun Charlie endlich an ihrer Seite wusste, war es um ihre Selbstbeherrschung schlagartig geschehen, und sie wurde erneut von Furcht und Entsetzen ergriffen. Sie presste die Hände vor die Augen, um zu verhindern, dass ihr die Tränen die Wangen
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