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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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waren die eisigen Temperaturen in England beinahe eine Erleichterung, wenn man davon absah, dass Nina sich sofort eine Erkältung einfing. Nach einem kurzen Abstecher in die teuren Einkaufsstraßen von Knightsbridge machten sich die Kingsfords auf den Weg aufs Land. Charlie war glücklich über Ninas fröhliche Miene. Sie redete wie ein Wasserfall und versuchte, nicht auf die arktische Kälte zu achten. Munter sauste der mit Geschenken beladene Mietwagen über die Schnellstraße. Sie verbrachten die Nacht in einem hübschen, kleinen und altmodischen Gasthaus am Stadtrand von Worcester und brachen nach dem Frühstück nach Shelsley auf. Nina nieste und putzte sich ständig die stark gerötete Nase.
    Bei der Ankunft der Kingsfords führte Sarah gerade die Hunde aus. Die Köchin öffnete die Tür. Charlie und Nina lehnten ihr Angebot ab, ins warme Haus zu kommen, um die Überraschung nicht zu verderben, und warteten zwanzig Minuten lang mit auf Hochtouren laufender Heizung und beschlagenen Scheiben im Auto. Schließlich sahen sie eine hoch gewachsene Gestalt in einem mit Schlamm bespritzten Dufflecoat und Gummistiefeln die Straße hinaufkommen. Sie wurde von zwei schwarzen Retrievern begleitet, die hechelnd mit dem Schwanz wedelten und alles am Wegesrand beschnüffelten. Der Atem stand ihnen in weißen Wolken vor den Schnauzen. Sarah musterte die frühen Besucher und stieß einen erstaunten Ruf aus, als sie sie erkannte.
    »Nina! Und Sie müssen Mr Kingsford sein! Was für eine schöne Überraschung. Wenn Sie mich vorgewarnt hätten, hätte ich etwas Besseres angezogen.« Sie schob sich eine graue Haarsträhne aus der Stirn, die unter dem Paisleytuch herausgerutscht war, und rief nach den Hunden. »Kommen Sie ins Warme. Ich bitte die Köchin, uns Kaffee und Kuchen zu bringen.«
    »Wir wollten Jo zu ihrem Geburtstag überraschen«, verkündete Nina strahlend.
    Sie sprang aus dem Wagen und tätschelte die Hunde, die schnuppernd um sie herumtänzelten, ohne auf Sarahs Befehle zu achten.
    »Ist meine liebe Tochter schon wach, oder sind wir zu früh dran?«, fragte sie aufgeregt.
    Sarah musterte Nina verdutzt.
    »Jo ist nicht hier. Sie ist nach Paris zurückgekehrt. Vor einer Woche habe ich Emma und sie zur Bahn gebracht.«
    »Paris!«, rief Nina entsetzt und wurde unter dem dicken Make-up ganz bleich. Trotz des warmen Wollmantels überlief sie ein Kälteschauer. Wegen der Erkältung hatte sie einen dicken Kopf und fühlte sich fiebrig. »Das kann nicht sein. Ich habe am letzten Sonntag mit ihr telefoniert, und sie hat mir erzählt, sie werde bis Ende des Monats in England bleiben.«
    Hilfesuchend sah sie Charlie an.
    »Nein, nein, das muss ein Missverständnis sein. Sie ist ganz sicher in Paris«, entgegnete Sarah mit Nachdruck. »Emma hat sich gemeldet, um mir zu sagen, dass sie wohlbehalten angekommen ist …«
    Ihre Stimme erstarb, als ihr ein schrecklicher Verdacht kam.
    »Wollen wir das nicht lieber drinnen besprechen?«, schlug Charlie vor.
    Wegen der Kälte hatte er den Kopf zwischen die Schultern gezogen, und der Ausdruck um Ninas Mund war ihm nicht entgangen. Plötzlich fühlte er sich ziemlich albern. Nie hätte er sich von Ninas Begeisterung anstecken und alles dem Zufall überlassen sollen. Doch auch er hatte Lust gehabt, Jo zu überraschen. Als er nach dem Arm seiner Frau griff, riss sie sich los, stapfte wütend durch den Schneematsch, streifte sich mit einer ungeduldigen Bewegung die Füße ab und folgte Sarah ins Haus. Nachdem Charlie sich sorgfältig die Schuhe an der Fußmatte abgewischt hatte, trat auch er ein.
    »Ach, du meine Güte, wie entsetzlich. Haben Sie eine Vermutung, bei wem sie sein könnte?«, fragte Sarah, nachdem Nina, vom Niesen geschüttelt, immer wieder beteuerte, Jo habe Freunde in England besuchen wollen. »Deshalb haben wir angenommen, dass sie bei Ihnen wohnt und dass Sie wissen, was los ist«, erwiderte Nina spitz, zog die Lederhandschuhe aus und verstaute sie in ihrer neuen Handtasche.
    Tränen traten ihr in die Augen. Das Ganze war so enttäuschend. Wie hatte Jo nur derart rücksichtslos sein können, ihnen nicht mitzuteilen, wo sie war. Außerdem war es in diesem Haus kalt wie in einem Iglu. Wieder fröstelte sie.
    »Ich wünschte, das wäre so«, meinte Sarah besorgt.
    »Nun, haben Sie vielleicht einen Verdacht? Könnten Sie jemanden anrufen?«, fragte Charlie.
    Er war ebenso enttäuscht und verärgert wie Nina. Außerdem machte ihm der Zustand seiner Frau zu schaffen, deren

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