Wohin der Wind uns trägt
sah ihre Freundin fröhlich an.
»Wenn das wirklich dein Herzenswunsch ist, helfe ich dir«, meinte Emma gähnend.
Beim Anblick von Jos strahlender Miene wurde ihr klar, dass sie ihre Freundin mehr vermissen würde als umgekehrt. Noch nie hatte sie bei Jo eine solche Zuversicht erlebt.
Am nächsten Morgen umarmten sie Tante Sarah zum Abschied, versprachen, mit dem nächsten Besuch nicht so lange zu warten, und stiegen in den Zug nach London. An der nächsten Haltestelle sprang Jo auf den eiskalten Bahnsteig, sie war aufgeregt und froh, dass sie nur einen Koffer bei sich hatte.
»Wehe, wenn du nicht schreibst«, stieß Emma mit tränenerstickter Stimme hervor und umarmte Jo ein letztes Mal. Der Schaffner stieß einen Pfiff aus, und dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung.
»Ich werde in den Zeitschriften alles über dich lesen«, rief Jo und lief neben dem Zug her. Tränen standen ihr in den Augen.
Nachdem der letzte Waggon im Nebel verschwunden war, putzte sie sich die Nase, griff nach ihrem Koffer und überquerte hastig den Bahnsteig, um den Zug nicht zu versäumen, der sie nach Stockenham Park und in ihr neues Leben bringen sollte.
11
Charlie warf einen Blick auf seine Frau, die trotz der im Januar herrschenden Hitze bemerkenswert kühl aussah. Sie trug einen breitkrempigen, schwarz-beigen Hut zu einem cremefarbenen Kleid und plauderte angeregt mit Archie, Charlies bestem Jockey. Der Mann saß noch auf seinem Pferd und hatte gerade ein wichtiges Rennen auf Sydneys Rosehill Gardens Rennbahn gewonnen. Charlie wischte sich den Schweiß von der Stirn und fragte sich, wie er verhindern sollte, dass seine Frau das ganze Preisgeld für wohltätige Zwecke spendete – ohne einen ihrer üblichen Tobsuchtsanfälle zu provozieren. Seufzend tätschelte er die zweijährige Stute, die ihm gemeinsam mit seinem besten Freund und Kunden Jack Ellis gehörte. Obwohl er sich eigentlich keine Geldsorgen zu machen brauchte, durfte er nicht übermütig werden. Charlie straffte die Schultern, lächelte in die verschiedenen auf ihn gerichteten Kameras und schüttelte zwei Japanern die Hand. Sie gehörten zur Eigentümergemeinschaft des Pferdes, das seine Stute gerade geschlagen hatte.
Charlie war müde. In letzter Zeit kam er einfach nicht mehr zur Ruhe. Kurz vor Weihnachten hatten ihm Schmerzen in der Brust einen argen Schrecken versetzt, doch diese hatten sich als rein stressbedingt entpuppt. Mit seinem Herzen war alles in Ordnung. Und sein Terminkalender war inzwischen wieder so voll wie eh und je. In zwei Tagen wollte er zu einer Besprechung mit einer neuen Eigentümergemeinschaft nach Hongkong fliegen. Von da aus würde es nach Irland weitergehen, wo auf dem Gestüt Airlie Stud einige Hengste und Zuchtstuten zu besichtigen waren. Anschließend fand in Australien eine Reihe wichtiger Rennen statt, bei denen er ein paar vielversprechende Pferde an den Start schicken wollte. Doch am wichtigsten war, Nina daran zu hindern, verschwenderisch mit dem Geld um sich zu werfen.
Jack Ellis kam näher.
»Offenbar sehen die Dinge trotz unseres kleinen Gewinns nicht so rosig aus«, sagte der stämmige Mann mit den blauen Augen. Charlie sah ihn an und fragte sich, ob er ihm seine Befürchtungen anvertrauen sollte. Doch er entschied sich dagegen.
»Alles bestens, alter Junge«, erwiderte er. Seine vergnügte Miene verbarg seine wahren Gefühle. »Wenn dieses Pferd weiter so läuft wie heute, brauchen wir uns nicht zu beklagen, mein Freund.«
Er klopfte Jack auf den Rücken.
»Einige dieser irischen Stuten haben das Zeug, große Sieger zur Welt zu bringen. Da könnte sich in den nächsten ein bis zwei Jahren ganz schön etwas tun. Interesse?«
»Vielleicht.«
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, denn man führte das Pferd weg und bat sie zur Siegerehrung auf die Bühne.
»Bei dir hängt wohl der Haussegen schief«, witzelte Jack leise. Er konnte Charlies Gedanken lesen und kannte das Ehepaar lange genug, um zu wissen, dass es zwischen ihnen nicht so gut lief, wie es nach außen hin aussah.
»Die beruhigt sich schon wieder«, murmelte Charlie und trat vor, um den Pokal entgegenzunehmen – begleitet von einem Blitzlichtgewitter und höflichem Applaus von der Teilnehmertribüne. Anschließend drängten sich die Gratulanten um Charlie und Jack, und die beiden Männer mussten, gemeinsam mit Nina und Archie, für die Fotografen posieren. Trotz seiner Müdigkeit fühlte Charlie sich besser. Jack war ein guter Freund. Jetzt musste er nur
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