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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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einer, den du den Rest deines Lebens bereuen wirst.« Charlie musste sich beherrschen, um seinem Widersacher nicht das spöttische Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln.
    »Willst du mir drohen?«
    »Genau das tue ich! Wir gehen, Jo«, brüllte Charlie und schob Jo zur Stalltür.
    Jo riss sich los und blickte verzweifelt zwischen ihrem Vater und Kurt hin und her.
    »Ich kann nicht, Dad. Ich arbeite hier. Das ist mein Job«, stieß sie hervor, floh in den Stall und ließ Charlie mitten auf dem Hof stehen.
    Mit tränenüberströmtem Gesicht stocherte sie blind im Heu herum. Alles war schiefgelaufen. Ihre Mutter hasste sie, und ihr Vater würde sie vermutlich nie verstehen. Außerdem hatte sie sicher auch noch ihren Job verloren. Sie schüttelte die Tränen weg, die weiter ihren Blick verschleierten, und nahm einen Haufen Mist auf die Gabel. Draußen brüllten sich Charlie und Kurt an. Dann wurde es plötzlich still.
    Jo schleuderte den letzten Pferdeapfel auf den Haufen und knallte die Heugabel gegen die Wand, sodass sie klappernd zu Boden fiel. Doch diesmal ließ Jo sie einfach liegen. Nachdem sie die Box ausgespritzt hatte, fegte sie in Rekordgeschwindigkeit den Boden und verteilte frisches Heu. Als sie hinauslief, um Luzerne zu holen, stieß sie beinahe mit John zusammen, der gerade, einige Sättel auf dem Arm, aus der Sattel- kammer kam.
    »Schau doch, wo du hinrennst, verdammt«, schimpfte sie mit gesenktem Kopf, zog ein Taschentuch heraus, um sich die Nase zu putzen, und eilte in den Lagerraum. Der Vormittag erstreckte sich unendlich vor ihr.
    »Wenn du möchtest, kannst du früher Mittagspause machen. Dein Vater erwartet dich im Büro«, meinte Kurt freundlich und spähte in die Box, in der Jo gerade den Verband an der Fessel eines Pferdes wechselte.
    Jo murmelte einen Dank, ohne aufzublicken. Als sie mit dem Verbinden fertig war, wusch sie sich Hände und Gesicht. Mit rot geweinten und verquollenen Augen eilte sie zum Büro. Auf den gefrorenen Blumenbeeten sah es so leer und trostlos aus wie in ihrem Herzen.
    Charlie saß auf einem Stuhl und las in einer Zeitschrift. Mit finsterer Miene stand er auf, als sie hereinkam.
    »Steig sofort ins Auto! Wir fahren zum Mittagessen«, befahl er.
    Jo gehorchte kleinlaut, obwohl sie wusste, dass sie keinen Bissen herunterbringen würde. Von Nina war nichts zu sehen.
    »Daddy, wenn du mir Gelegenheit geben würdest, zu erklären …«, begann Jo, als sie in einer Ecke des Gasthofes George & Dragon saßen. Sie war fest entschlossen, nicht mehr zu weinen.
    »Nein, du hörst mir zu, Jo. Du hast keine Ahnung, was du angerichtet hast. Dieser Mann ist ein übler Kerl. Er hat dich nur eingestellt, um mir zu schaden und die Kingsford Lodge in den Ruin zu treiben. Also schlag dir deine albernen und romantischen Flausen aus dem Kopf. Warum, glaubst du, hat er dich genommen, obwohl er Dutzende von Mädchen mit viel mehr Erfahrung hätte haben können?«
    »Weil ich auch Erfahrung habe, Dad, das hat er mir selbst gesagt … und zwar, weil ich für dich gearbeitet habe«, gab Jo zurück. »Wo ist Mum?«
    »Sie hat Fieber. Hast du ihm das wirklich abgenommen? Jo, du bist so naiv.« Charlie streckte die Hand aus, aber sie zog rasch den Arm zurück und spielte auf dem Schoß an ihren Fingernägeln herum.
    »Sei nicht so gönnerhaft, Dad. Ich bin schon achtzehn, und ich weiß, was ich tue.«
    Charlies Blick wurde hart.
    »Du bist erst achtzehn und hast keine Ahnung, mit wem du dich eingelassen hast. Kurt Stoltz ist ein böser Mensch. Er hat mir nie verziehen, dass ich deine Mutter geheiratet habe und erfolgreicher bin als er. Dich hat er nur eingestellt, weil du meine Tochter bist, und er will dich über meine Methoden aushorchen. Geh dort weg, bevor du uns alle ruinierst.«
    Jo erinnerte sich an Kurts beharrliche Fragen. Sie verzog das Gesicht.
    »Ich habe recht, oder? Er hat bereits versucht, dich auszuspionieren«, fuhr Charlie fort.
    »Du irrst dich, Dad. So ist er nicht«, rechtfertigte sich Jo und schob den dampfenden Teller mit der Fleischpastete weg, die Charlie bestellt hatte. Dann strich sie eine Haarsträhne zurück. »Er hat mir alles über dich, Mum und ihn erzählt.«
    Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten, als sie ihre Mutter erwähnte, aber sie sprach beharrlich weiter.
    »Er sagte, er hätte dich bewundert. Früher sah er viel besser aus, und er meinte, ihr beide seid Freunde gewesen. Er hätte Mum sehr gern gehabt, aber immer gewusst, dass sie

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