Wohin die Liebe führt
zu unbequem, nach San Francisco zu kommen, um seine Tochter zu besuchen.«
»Ach so«, sagte Marian. »Und was haben Sie Dani gesagt?«
»Daß ihr Vater beschäftigt sei und nicht von seiner Arbeit abkommen könne. Was hätte ich sonst sagen sollen?«
»Hat Dani jemals von einem Jungen oder von mehreren Jungen gesprochen, für die sie sich besonders interessierte?«
Nora schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht.«
»Oder von einem Mann?«
Marian hatte den Eindruck, daß Nora etwas blasser wurde. »Worauf wollen Sie hinaus, Miss Spicer?«
Marian beobachtete sie scharf. »Ich versuche herauszufinden, zu wem Dani sexuelle Beziehungen hatte.«
»Mein Gott!« Nora schwieg einen Augenblick. »Sie ist doch nicht.«
»Nein, in andern Umständen ist sie nicht.«
Nora seufzte erleichtert. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Wenigstens dafür kann man noch dankbar sein.«
Marian sah eine Träne in Noras Augenwinkel. Zum erstenmal verspürte sie etwas wie Mitleid mit der Frau ihr gegenüber. »Meinen Sie, es könnte Mister Riccio gewesen sein?« fragte sie.
»Nein«, sagte Nora scharf. Dann zögerte sie. »Ich. ich weiß überhaupt nicht, was ich darüber denken soll. Die Tatsache selbst ist ein ziemlicher Schock.« »Das ist sie immer.«
Noras Stimme wurde wieder normal. »Wahrscheinlich. Es ist jedenfalls immer überraschend, wenn man entdeckt, daß ein Kind so viel erwachsener ist, als man angenommen hat.«
Das hat sie auf eine gute Formel gebracht, dachte Marian. Keine Hysterie, keine Verurteilung, kein Tadel. einfach >so viel erwachsener..
»War sie sehr oft mit Mister Riccio allein?«
»Ich glaube, ja. Schließlich wohnte er ja hier.«
»Aber Sie sind nie auf den Gedanken gekommen, daß eine derartige Beziehung zwischen beiden bestehen könnte?«
»Nein«, sagte Nora bestimmt. »Nicht im geringsten.« Sie sah Marian an, etwas wie Angst lag in ihrem Blick. »Hat. hat Dani etwas dergleichen gesagt?«
Marian schüttelte den Kopf. »Nein. Dani will überhaupt nichts sagen. Das ist einer der Gründe, warum das Ganze so schwierig ist. Dani will über nichts sprechen.«
Noras Gesicht bekam wieder ein wenig Farbe. »Noch etwas Tee, Miss Spicer?« fragte sie. Ihre Stimme war wieder vollendet höflich.
»Nein, besten Dank.«
Nora goß sich selbst ein. »Was meinen Sie. was wird mit Dani geschehen?«
»Das ist schwer zu sagen. Es hängt ganz und gar vom Gericht ab. Momentan sieht es so aus, als würde man sie nach Perkins schicken - das ist die nordkalifornische Zentrale zur Beobachtung Jugendlicher. Die Psychiater hier bringen nicht genug aus ihr heraus, um einen Rat geben zu können.«
»Aber Dani ist doch keineswegs geisteskrank!«
»Natürlich nicht«, sagte Marian schnell. »Aber sie hat einen Menschen getötet. Das könnte immerhin ein Hinweis auf Paranoia sein.« Sie beobachtete Nora scharf.
»Das ist doch lächerlich! Dani ist ebensoviel oder ebensowenig geisteskrank wie ich!«
Hier könnte die Wahrheit liegen, dachte Marian bei sich. Aber gleich darauf empfand sie etwas wie Schuldgefühl. Es kam ihr nicht zu, solche Urteile zu fällen.
»Ich werde ihr einige Ärzte schicken, die ich selbst für gut halte«, sagte Nora mürrisch.
»Das ist Ihr Recht, Miss Hayden. Und vielleicht ist es ganz nützlich. Vielleicht gewinnt ein Arzt Ihrer Wahl eher Danis Vertrauen.«
Nora stellte ihre Tasse hin. Marian wußte, die Unterhaltung war beendet. »Kann ich Ihnen noch irgendwelche andern Auskünfte geben, Miss Spicer?«
Marian schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Miss Hayden.«
Sie wollte aufstehen. »Da wäre nur noch eines.«
»Ja, bitte?«
»Kann ich Danis Zimmer sehen?«
Nora nickte. »Ich werde es Ihnen von Charles zeigen lassen.«
Marian folgte dem Diener die geschwungene Marmortreppe hinauf. »Wie geht es Miss Dani, Madam?« fragte Charles über seine Schulter.
»Sie ist gesund.«
Sie langten oben an und gingen durch den Vorraum. »Dies ist Miss Danis Zimmer«, sagte Charles, vor einer Tür stehenbleibend. Er öffnete sie, und Marian trat ein. Als Charles ihr folgen wollte, kam Noras Stimme durch die Haussprechanlage an der Wand: »Charles!«
»Bitte, Madam?«
»Wollen Sie Violet sagen, sie soll Miss Spicer Danis Zimmer zeigen? Ich habe einen Auftrag für Sie.«
»Sofort, Madam.« Der Diener ging zur Tür, als auch schon das farbige Mädchen erschien. »Hast du gehört, was Madam sagte?«
Violet nickte. »Ja, natürlich.«
Charles verbeugte sich vor Marian und ging. Das
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