Wohin die Liebe führt
wässerigen Augen herauf zu mir. »Übrigens - draußen auf Ihrem Boot ist ein Mädel. Hab’ ihr gesagt, Sie sind nach dem Lunch fällig.«
Ich ging hinunter zu meinem Boot. Nora mußte meine Schritte gehört haben, denn sie stand auf dem Deck, als ich kam. Sie trug ein Paar enganliegende, blaue, gepunktete Shorts und einen Büstenhalter. Wie ein kleines Mädchen sah sie aus mit ihrem zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haar.
»Hallo!« rief sie.
»Hallo.«
Ihre Augen blinzelten in die Sonne. »Diesmal bin ich dran, mich zu entschuldigen, Colonel.«
Ich sah sie einen Augenblick prüfend an, dann sprang ich aufs Deck und war neben ihr. »Deswegen hätten Sie nicht den langen Weg hier herunter machen sollen, Nora.«
Sie legte die Hand auf meinen Arm. Sie lag warm auf meiner Haut.
»Aber ich wollte es gern, Colonel. Ich wollte, daß Sie wissen, wie leid es mir tut.«
Sie stand so dicht neben mir, daß ich den Duft ihres Haares atmete. Gut und sauber und frisch. wie die Fichten oben auf den Bergen. Und keinerlei Make-up als einen matten Schimmer von Lippenstift. Ich sah ihr in die Augen. Es war wie eine Ewigkeit. Dann küßte ich sie.
Ihr Mund war warm und süß, ihre Zähne hinter den weichen
Lippen hart und scharf. Ich fühlte, wie ihre Arme sich um meinen Hals legten, spürte den Druck ihres Körpers. Ich ließ meine Hände zu ihren Hüften hinuntergleiten und konnte dabei fast jede Rippe zählen. Es war genauso, wie ich wußte, so müsse es zwischen uns sein.
Als ich sie noch einmal geküßt hatte, ließ ich sie plötzlich los und griff nach einer Zigarette. Ich drehte am Rädchen meines Feuerzeugs, aber ich konnte das verdammte Ding nicht zum Zünden bringen. »Siehst du. ich zittere.«
»Ich zittere auch«, sagte sie leise.
Ich zog an meiner Zigarette. Endlich hatte ich sie angesteckt. Dann gab ich sie ihr.
Sie rauchte eine Sekunde, dann wandte sie sich zu mir. »Ich hab’ mir gleich beim erstenmal gewünscht, daß du mich küssen sollst«, sagte sie.
»Ich habe mir’s auch gewünscht.«
»Warum hast du’s denn nicht getan?« Ihre Augen waren wie die Schatten im Wasser zwischen Boot und Kai. »Du wußtest, daß ich darauf wartete.«
Ich wandte mich ab. »Ich dachte, du. wolltest zu einem andern gehen.«
»War das damals so wichtig für dich?«
»Ja. Du hast dir lange Zeit gelassen, die Szene aufzubauen. Ich wollte, daß zwischen uns alles klar ist.«
»Nun, du selbst warst auch nicht gerade ein früher Vogel.«
»Nein.«
»Und. ist es dir jetzt wichtig?«
»Jetzt ist alles andere gleichgültig.« Ich schloß sie wieder in meine Arme.
Dann schossen ihr die Tränen in die Augen. Meine Wange wurde naß davon. »O Luke, Luke!«
Ich kenne viele Redensarten über Weibertränen, aber ich glaube keine einzige. Sie sind das wirksamste Einschläferungsmittel für das Selbstbewußtsein des Mannes, das die Natur erfunden hat. Ich fühlte mich wie ein Gott, als ich ihr die Tränen wegküßte. Ich fuhr am Nachmittag nicht hinaus, um zu sehen, ob man bei Coronado wirklich Merline gesichtet hatte. Statt dessen stieg ich - zum erstenmal, seit ich hier war - in meine Uniform und trabte hinter Nora her zu ihrer Pressekonferenz.
Ich war heilfroh, als diese Konferenz ihrem Ende zuging. Es war entsetzlich. Die Reporter hatten sich wie die Aasgeier auf uns gestürzt, als sie uns beide zusammen erblickten.
Wir mußten uns ihren Kameras stellen. Sie überhäuften uns mit Fragen. Ob wir verlobt sind? Wann wir heiraten wollen? Wie wir uns kennengelernt haben? Ob sie mit mir nach Washington fährt, wenn ich dorthin befohlen werde? Ob ich hierhergekommen war, um in ihrer Nähe sein zu können? Oder ob ich sie. und warum.?
Nach einer Weile hatten sie ihre Fragen selbst satt, denn wir gaben ihnen keine Antwort, und interessierten sich endlich für den eigentlichen Zweck der Pressekonferenz. Sie sollten sich nämlich Aaron Scaasis Erklärung anhören, warum er Nora für das größte Ereignis in der Geschichte der amerikanischen Skulptur seit den Zeiten des Totempfahls hielt.
Ich muß sagen, er sprach überzeugend. Sogar für mich. Scaasi war ein kahler, untersetzter Mann, der mehr wie ein ehemaliger Boxer aussah als wie einer der prominentesten Kunsthändler des Landes. Er wischte sich ständig den Kopf mit einem babyblauen Taschentuch. Nora wirkte wie ein kleines Mädchen, als sie da neben ihm auf der Couch saß.
Sam Corwin kam herüber und setzte sich. »Er weiß recht genau, was er sagt«, bemerkte er und
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