Wohin die Liebe führt
deutete mit dem Kopf auf Scaasi. »Nora ist wirklich sehr gut.«
Ich sah mir Sam an. Ein sehr schlanker, fast zarter Mensch, dessen Äußeres zu Trugschlüssen verführte, wenn man nicht den festen Mund und das energische Kinn beachtete. Innerlich ein Bursche hart wie Stahl. »Ich glaube es ihm«, sagte ich, während ich mich fragte, wie tief wohl Convins Interesse für Nora gehen mochte.
Offenbar spürte er, was ich dachte. »Ich kenne Nora, seit sie noch zur Schule ging. Ich habe immer an sie geglaubt, und ich war sehr glücklich, als ihre Mutter mir vorschlug, ich sollte mich ihrer Angelegenheiten annehmen.«
Er blickte mich mit seinen dunklen Augen sehr prüfend an. »Übrigens bin ich Ihnen Dank schuldig.«
»Nanu?« fragte ich erstaunt.
Er nickte. »Daß Sie zu dieser Party gekommen sind. Nora war schrecklich aufgeregt, als sie mit Ihnen gesprochen hatte, und wollte am liebsten das alles hier absagen, wenn sie sich nicht vorher bei Ihnen hätte entschuldigen können. Sie läßt sich ganz und gar von ihren Gefühlen leiten.«
Die Party begann sich aufzulösen, und Sam Corwin ging zu den Zeitungsleuten, um noch ein paar abschließende Worte mit ihnen zu sprechen. Vielleicht hatte der Bourbon meine Sinne etwas umnebelt - aber ich hatte das Gefühl, daß er mir eigentlich gern noch mehr gesagt hätte. Scaasi und Nora traten zu mir. Ich spürte, daß es mich ärgerte, wie vertraulich er seine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte. »Hätten Sie nicht Lust, mit uns zu essen?«
Ich zögerte einen Moment und sah Nora an, dann faßte ich meinen Entschluß. »Nein, danke. Ich weiß, Sie haben allerlei Geschäftliches zu besprechen, da möchte ich lieber nicht stören.«
»Sie würden durchaus nicht stören«, sagte Nora schnell. Ich sah die Enttäuschung in ihren Augen.
Einen Augenblick lang hätte ich meinen Entschluß beinahe umgestoßen. Doch ich überlegte schnell noch einmal. Lächelnd
entschuldigte ich mich: »Ich habe mir selbst ein Gericht Merline versprochen. Ich möchte heute abend noch mit meinem Boot hinaus und vor Coronado Anker werfen. Dann kann ich mit dem Angeln gleich anfangen, wenn die Sonne aufgeht.«
»Wann werden Sie morgen zurück sein?« fragte Nora.
»Spät.«
»Dann sehe ich Sie nicht mehr. Ich muß übermorgen früh in San Francisco sein.«
»Wie schade!« antwortete ich.
Sam sagte etwas zu Scaasi. Sie traten ein paar Schritte beiseite.
»Du wirst mich doch anrufen?« fragte sie.
»Natürlich.«
»Nein, du wirst es nicht tun«, sagte sie nach einem Augenblick. »Ich weiß, du wirst es nicht tun. Es wird wieder genauso sein wie das letztemal. Du gehst zurück - und ich höre nichts mehr von dir. Niemals. Ich werde nichts anderes von dir wissen als das, was ich in den Zeitungen lese.«
»Sei nicht albern. Ich sage dir doch - ich rufe dich an.«
»Wann?«
»Sobald ich in San Francisco bin.«
»Das wird niemals sein«, sagte sie düster.
Ich nahm ihre Hand. Sie war warm, weich und hilflos. »Ich rufe dich an. Ich verspreche es dir.«
Sie sah mich eigentümlich an. »Und was ist, wenn dir etwas passiert? Wie erfahre ich das?«
»Mir passiert nichts. Davon bin ich jetzt überzeugt. Du kennst doch das alte Sprichwort: Wer zum Hängen geboren ist, dem kann nichts anderes passieren.«
Der letzte Reporter war gegangen. Es wurde Zeit für mich zu verschwinden. Ich schüttelte ringsum viele Hände und ging.
»Ich begleite dich bis zur Tür«, sagte sie.
Wir gingen hinaus in den Patio. Es war schon dunkel. Tausend kleine Sterne schimmerten in die Nacht hinein. Ich schloß die Tür hinter uns. »Ich denke, du magst keinen Abschied?« sagte ich. Ich wußte, ich hätte sie küssen können, aber ich tat es nicht. Denn sonst wäre ich nie weggegangen.
Ich glaube, das wußte sie auch. »Dies ist kein Abschied«, flüsterte sie. Ihre Hand berührte kurz die meine. Die Tür schloß sich hinter ihr. Ich ging hinunter zum Taxi.
Scaasi war auf sein Zimmer gegangen, so daß Sam allein war, als Nora wiederkam. Er sah sie fragend an.
»Misch mir einen Drink"«, sagte sie.
Schweigend erhob er sich aus seinem Sessel und mischte ihr einen Scotch-Soda. Sie nahm das Glas und stellte es auf den Tisch. »Ich werde heiraten«, sagte sie fast trotzig.
Corwin schwieg noch immer.
»Nun, hast du gar nichts dazu zu sagen? Es ist doch genau das, was ihr gewollt habt, Mutter und du?«
Er war überrascht. »Woher willst du das wissen?«
»So dumm bin ich doch auch nicht«, sagte sie und nahm ihr Glas
Weitere Kostenlose Bücher