Wohin die Liebe führt
lassen.
»Wie waren Ihre Beziehungen zu Mister Riccio?«
»Er war mein Manager«, antwortete Nora.
»Aber er lebte bei Ihnen im Haus, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ist das in Ihrem Beruf so üblich?«
»Das weiß ich nicht. Aber in meinem Fall war es eine Not-wendigkeit. Es war eine Arbeit, die mehr Zeit in Anspruch nahm als die übliche Arbeitszeit.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie und Mister Riccio eine sehr viel persönlichere Beziehung hatten als die rein geschäftliche, Miss Hayden?«
Gordon sprang auf. »Ich erhebe Einspruch! Die Frage gehört nicht zur Sache und ist für die Untersuchung des Falles unwesentlich.«
»Einspruch genehmigt.«
»Hatten Sie und Mister Riccio jemals die Absicht zu heiraten?« fragte der Vertreter des Distriktsanwalts.
»Einspruch! Ich ersuche das Gericht ehrerbietigst, dem Vertreter des Distriktsanwalts aufzugeben, daß er sich auf die Fragen beschränkt, die für diese Untersuchung wesentlich sind.«
»Genehmigt«, sagte der Untersuchungsrichter. Seine Stimme klang ärgerlich, als er sich an Carter wandte: »Beschränken Sie Ihre Fragen auf das zur Sache Gehörige.«
Carter sah Nora an. »Haben Sie gesehen, daß Ihre Tochter den Meißel ergriffen hat, mit dem sie angeblich Mister Riccio verwundete?«
»Nein.«
»Haben Sie ihn in ihrer Hand gesehen, als sie zustieß?«
»Nein.«
»Wußten Sie, daß ein solcher Meißel auf dem Tisch neben der Tür lag?«
»Ich glaube, ja.«
»Lassen Sie diesen Meißel gewöhnlich dort liegen? Sie müssen doch sicherlich gewußt haben, daß ein so scharfes Instrument möglicherweise gefährlich sein konnte?«
»Ich ließ den Meißel stets dort liegen, wo ich zufällig mit ihm gearbeitet hatte. In diesem Fall lag er auf dem Tisch, weil ich
dort an einer Rosenholzfigur gearbeitet hatte.« Jetzt sprach sie mit fester Stimme. »Es war mein Atelier. Außer diesem Meißel habe ich noch viele andere Werkzeuge, die zu meinem Handwerk gehören, auch eine Acetylen-Lötlampe. Ich bin Bildhauerin und nur an dem interessiert, was ich schaffe, nicht aber daran, Buch über meine Werkzeuge zu führen! Ich habe niemals eins meiner Werkzeuge als eine mögliche Gefahr betrachtet. Meine Werkzeuge sind die Grundvoraussetzungen meiner Kunst.«
»Keine weiteren Fragen«, sagte Carter und setzte sich.
Nora kam erhobnen Hauptes aus dem Zeugenstand. Ihre Kunst war ihr Schild, und sie trug ihn so vor sich her, daß nichts in der Welt an sie herankommen konnte. Hinter diesem Schild war sie sicher.
Nun war noch ein Zeuge zu vernehmen - Charles. Seine Aussage beschränkte sich lediglich auf die Bestätigung der bisherigen. Vermutlich war das der Grund, daß Violet nicht aufgerufen wurde. Der Untersuchungsrichter gab den Fall an die Geschworenen weiter.
Sie waren keine fünf Minuten draußen. Dann verkündete der Obmann den Spruch: »Die Geschworenen haben festgestellt, daß der verstorbene Anthony Riccio infolge eines Stiches mit einem scharfen Instrument zu Tode kam, das sich in den Händen der Jugendlichen Danielle Nora Carey befand und das sie in berechtigter Verteidigung ihrer Mutter gebraucht hat.«
Im Saal entstand Unruhe und Stimmengewirr. Ich drehte mich um und sah, wie sich die Reporter zur Tür drängten, als der Untersuchungsrichter mit dem Hammer aufklopfte. Ich trat beiseite, um Nora und Gordon vorbeigehen zu lassen. Sie begaben sich zur Tür. Blitzlichter flammten auf. Ich beschloß zu warten, bis die Fotografen fort waren, und setzte mich wieder hin. Der Saal war jetzt fast leer. Ich sah über den Gang hinweg eine junge Frau sitzen, die sich in einem kleinen Buch Notizen machte. Sie
klappte es zu, sah zu mir herüber und nickte. Automatisch nickte ich zurück, noch ehe ich sie erkannte. Dann wußte ich, daß es die Bewährungshelferin war.
Ja»stand auf. »Guten Tag, Miss Spicer.«
»Guten Tag, Colonel Carey«, sagte sie ruhig.
»Haben Sie Dani heute morgen schon gesehen?« Sie nickte.
»Wie geht es ihr?«
»Nun. sie fühlt sich noch ein wenig verloren. Aber das wird vergehen, wenn sie sich daran gewöhnt hat.« Sie stand auf. »Ich muß jetzt fort.«
»Natürlich«, sagte ich und trat zur Seite.
Sie ging schnell den Gang entlang. Dani wird sich daran gewöhnen, hatte sie gesagt. Als sei das etwas Gutes. Sich daran zu gewöhnen, daß man im Gefängnis ist.
Als ich zum Ausgang schritt, waren die Korridore bereits leer. Die helle Sonne fiel mir in die Augen, so daß ich Harris Gordon nicht sah, ehe er direkt vor mir stand. »Nun,
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