Wohin die Liebe führt
Colonel Carey? Was meinen Sie?«
Ich kniff die Augen zusammen und sah ihn an. »Nun, ob es sich nun Verhandlung nannte oder nicht - sie haben es recht gut verstanden, Dani den Strick zu drehen.«
»Totschlag in Notwehr ist noch lange kein Mord«, sagte er, indem er sich mir anschloß.
»Ja«, antwortete ich trocken. »Auch kleine Begünstigungen werden dankbar angenommen.«
»Dort drin ist etwas nicht erwähnt worden, was Sie, glaube ich, doch wissen müßten«, sagte er.
Ich sah ihn an. »Und das wäre.?«
»Was Dani gesagt hat, als sie im Polizeirevier ihre Aussage unterschrieben hat.«
»Warum ließen Sie sie diese Aussage überhaupt machen?«
»Ich hatte keine Wahl, sie bestand darauf. Und als ich sie hindern wollte zu unterschreiben, beharrte sie ebenfalls darauf.«
Ich schwieg einen Augenblick. »Und was hat sie dann gesagt?« fragte ich dann.
Er sah mich lange an. >»Werde ich jetzt in die Gaskammer müssen?< Und dann weinte sie. Ich sagte ihr, kein Mensch denke auch nur an die Gaskammer, aber sie wollte mir nicht glauben. Je mehr ich sie beruhigen wollte, um so erregter wurde sie. Ich rief vom Präsidium aus Doktor Bonner an, und er gab ihr eine Spritze. Er fuhr sogar mit uns zum Jugendgewahrsam hinaus, aber auch das half nichts. Dani wurde immer erregter. Hauptsächlich deshalb haben sie sie die Nacht über in meine Obhut gegeben. Aber sie schrie und weinte und schluchzte noch immer, bis ihre Großmutter daran dachte, ihr das einzige zu sagen, das sie schließlich beruhigte.«
»Und was war das?«
»Daß Sie herkommen«, sagte er. »Daß Sie nicht zulassen werden, daß man ihr etwas zuleide tut.«
Vierter Teil: Handelt von Dani
Als Dani noch sehr klein war und nicht gern allein im Dunkeln blieb, sah sie oft aus ihrem Bettchen zu mir auf und sagte mir ihrer dünnen kleinen Stimme: »Daddy, dreh doch die Nacht aus!« Dann knipste ich in ihrem Zimmer ein mattes Lämpchen an, und sie schlief glücklich und geborgen ein in einer ihr vertrauten Welt.
Ich wünschte, es wäre jetzt auch so leicht gewesen. Aber jetzt konnte ich kein Lämpchen anknipsen, um >die Nacht auszudre-hen<; davon hatte mich die Verhandlung vor dem Untersuchungsrichter gründlich überzeugt.
Ich sah Gordon nach, wie er in seinen Wagen stieg und davonfuhr. Dann machte ich kehrt, blickte noch einmal auf das Gerichtsgebäude und ging hinüber zum Parkplatz in der Golden Gate Avenue, wo ich meinen Wagen gelassen hatte.
Unaufhörlich ging mir der alte Kinderreim durch den Kopf: Humpty Dumpty saß auf dem hohen Wall, Humpty Dumpty tat einen tiefen Fall...
Zum erstenmal wußte ich, wie den Mannen des Königs zumute gewesen sein mußte, als sie sahen, daß sie Humpty Dumpty nicht wieder heilmachen konnten. Sie hätten ihn eben von Anfang an besser behüten und nicht fallen lassen sollen. Jetzt standen sie da wie die Narren. Auch ich hätte Dani nicht fallen lassen sollen. Vielleicht war es meine Schuld. Ich dachte daran, wie ich gestern nachmittag im Jugendgewahrsam bei ihr in dem engen Zimmer gesessen und versucht hatte, ihr zu erklären,
warum ich sie nie besucht hatte. Auch wenn es die Wahrheit war
- das wußte ich -, klang es dennoch unglaubhaft.
Und Dani war ein Kind, trotz der Zigaretten, die sie so kundig rauchte. Was glaubte sie? Ich wußte es nicht. Ich spürte nur, wie brennend gern sie mir glauben, mir ganz vertrauen würde. Aber sie war nicht ganz sicher, ob sie es konnte. Ich war schon einmal fortgegangen, und ich konnte wieder fortgehen.
Das sprachen wir beide nicht aus. Mit keinem Wort. Aber es war da, es lag unter der Oberfläche ihrer Gedanken, ihrer Handlungen. Sie war zu alt, um es auszusprechen, und zu jung, um es vor mir zu verbergen. Es gab so viele Dinge, die wir uns zu sagen hatten, so vieles, was wir voneinander nicht wußten und was uns umzulernen zwang. Und wir hatten einfach zuwenig Zeit.
Die unausgesprochenen Worte lasteten auf uns wie eine unsichtbare Wolke, als wir uns verabschieden mußten. »Ich komme dich morgen besuchen.«
»Nein. In der Woche sind keine Besuche erlaubt. Aber ich sehe dich am Dienstag, Miss Spicer sagte mir, daß für Dienstag eine Verhandlung angesetzt ist.«
»Ich weiß.«
»Wird Mutter dort sein?«
Ich nickte. »Und deine Großmutter auch.« Ich beugte mich nieder und küßte sie. »Und du bist mein braves Kleines und machst dir keine Gedanken!«
Plötzlich schlang sie die Arme um meinen Hals. Sie preßte ihr Gesicht gegen meine Wange. »Jetzt fürchte ich mich vor gar
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