Wohin du auch fliehst - Thriller
der Waschtrommel verloren. Wäre das nicht möglich?«
»Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«
Ich stand auf, seine Arme erstickten mich plötzlich. Ich ging quer durch den Raum, änderte dann meine Meinung und kam zurück, lief auf und ab, versuchte die Angst und die Wut, diese entsetzliche Hoffnungslosigkeit zu unterdrücken.
»Ich wusste gar nicht, dass es Seiten gibt.«
»Halt die Klappe und hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen!«, schrie ich.
Er hielt den Mund. Ich hatte eine Grenze überschritten und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. »Es tut mir leid«, sagte ich. »Das war nicht so gemeint.«
»Du solltest die Polizei rufen«, sagte er schließlich.
»Weswegen? Sie würden mir ohnehin nicht glauben«, sagte ich kläglich.
»Vielleicht doch.«
»Du glaubst mir schon nicht, warum sollten sie es dann tun?«
»Es ist nicht so, dass ich dir nicht glaube. Ich denke nur, dass du schwer traumatisiert bist. Jetzt hast du Angst, und das führt dazu, dass du unter Umständen übersiehst, wie der Knopf sonst noch in deine Hosentasche hätte kommen können.«
»Genau das ist es ja, Stuart: Er war in meiner Hosentasche. Er hat sich nicht einfach in der Wäsche verfangen, er steckte in meiner verdammten Hosentasche. Er ist da nicht von alleine hingekommen, und ich habe ihn da auch nicht reingetan. Er war das. Verstehst du das nicht? Er hat ständig solche Sachen gemacht. Er ist in meiner Abwesenheit in meine Wohnung eingebrochen, hat Nachrichten hinterlassen, Sachen umgestellt. Kleinigkeiten, die man gar nicht unbedingt bemerkt. Darum habe ich angefangen, alles zu kontrollieren.«
»Er ist in deine Wohnung eingebrochen?«
»Ja, er ist eine Art Fachmann darin. Ich habe nie herausgefunden, wie er das angestellt hat. Er kann praktisch in jedes Haus einbrechen, ohne dass du verstehst, wie er es angestellt hat.«
»Herrgott noch mal, willst du damit sagen, dass er ein Dieb war?«
»Nein. Er war kein Dieb. Er war bei der Polizei.«
Freitag, 11. Juni 2004
Ich fuhr los und wagte nicht, mich umzusehen.
Die Sonne schien schon, der Himmel war wolkenlos und blau, die Luft kühl, aber nicht kalt. Es sollte ein schöner, fantastischer Tag werden. Als ich das Ende meiner Straße erreichte, rechts blinkte und um die Ecke fuhr, spürte ich einen Schrei in mir aufsteigen, ein manisches Lachen der Erleichterung. All die Angst, die sich über so lange in mir aufgestaut hatte, kam plötzlich hoch.
Ich fuhr zur Arbeit und nahm die Hintertür, sodass ich nicht am Sicherheitsdienst vorbei musste. Dann holte ich meinen Koffer aus dem Versteck. In der Seitentasche steckten die Dollar, mein Pass mit einem Visum für drei Monate und meine Reiseunterlagen. Mein Büro war kahl − nächste Woche würde es jemand anderes beziehen. Ich schleppte meinen Koffer zum Hinterausgang hinaus und hoffte, dass der Sicherheitsdienst nicht ausgerechnet jetzt auf den Überwachungsbildschirm sah und sich wunderte, was ich hier überhaupt noch wollte.
Stufe eins meines Plans war gut gegangen.
Sobald ich auf der Autobahn war, begann ich zu singen. Ich fuhr über zwei Anschlussstellen bis nach Preston und schlängelte mich durch den gerade beginnenden Berufsverkehr zum Bahnhof. In einer Seitenstraße befand sich ein Gebrauchtwagenhändler. Ich hielt vor dem überfüllten Vorplatz. Auf dem Beifahrersitz hatte ich schon die Betriebsanleitung und die HU-Bescheinigung bereitgelegt. Ich unterschrieb das Kaufvertragsformular an der Stelle, die für den Verkäufer vorgesehen war, und ließ den Rest frei. Daneben legte ich folgende Nachricht:
Bitte kümmern Sie sich um den Wagen.
Ich brauche ihn nicht mehr.
Danke.
Ich ließ den Schlüssel im Schloss stecken und hoffte, dass derjenige, der den Wagen fand, es nicht der Polizei melden würde. Ich holte meinen Koffer aus dem Kofferraum und zog ihn zum Bahnhofseingang. Ich kaufte eine Fahrkarte nach London, zahlte bar, ging zum Gleis und wartete. Der Zug nach London kam in fünf Minuten. Ich wäre am liebsten sofort aufgebrochen, obwohl Lee vermutlich noch schlief. Ich wollte nur weg von ihm, wollte losrennen und mich nie wieder umdrehen.
Der Zug war voll, an jeder Haltestelle stiegen Leute zu und wieder aus. Ich wollte mich entspannen, ein Buch lesen, wirken wie ein ganz normaler Mensch. Ich saß da und starrte aus dem Fenster auf die Dörfer und die vorbeiziehende Landschaft. Mit jedem Halt entfernte ich mich weiter von meinem alten Leben und kam der Freiheit ein Stück näher.
Vor einer Woche,
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