Wohin du auch fliehst - Thriller
vor der Sicherheitskontrolle gebildet hatte, warf noch einen letzten Blick in den Terminal und das Meer von Gesichtern: glückliche Ferien- und müde Geschäftsgesichter. Anzüge und Shorts, Sonnenbrillen und Aktenkoffer. Fast hatte ich es geschafft. Noch ein paar Schritte, ein paar Stunden Aufenthalt im Abflugbereich, dann würde ich im Flieger sitzen und frei sein.
Doch da war er plötzlich – ging am Tie-Rack-Laden vorbei auf mich zu, den Blick fest auf mich geheftet, sein Gesicht ausdruckslos.
Die Schlange ging noch immer bis um die Eisenabsperrung herum – hier konnte ich nicht bleiben.
Ich rannte einfach los, völlig in Panik. Ich rannte so schnell ich konnte auf einen der uniformierten Sicherheitsbeamten zu, der in der Flughafenhalle herumlief und keine Ahnung hatte, was da auf ihn zukam. Ich sah mich nicht um. Hätte ich das getan, hätte ich gesehen, wie Lee dem Sicherheitsbeamten seinen Ausweis zeigte, der mich nur mit großen Augen ansah, als ich mit weit aufgerissenem Mund und dem lautlosen Schrei »Hilf mir, hilf mir …!« auf ihn zu rannte. Doch statt sich zwischen mich und Lee zu werfen, statt mich zu beschützen, mich zu retten, packte er mich und warf mich zu Boden, sodass ich mit Händen und Knien auf dem Granitboden aufschlug. Er drehte mir die Arme auf den Rücken, während Lee seine Handschellen herauszog und sie um meine Handgelenke zuschnappen ließ. »Du verdammte Diebin!«, keuchte Lee. Der Sicherheitsbeamte sagte nichts, sondern schwitzte nur schwer atmend vor lauter Anstrengung und Aufregung, an seinem zweiten Arbeitstag in so etwas Dramatisches verwickelt worden zu sein.
Ich hörte mich schluchzen. »Helfen Sie mir, bitte! Das ist alles gelogen, er verhaftet mich nicht, ich habe nichts getan …« Doch es war zwecklos.
Der Beamte half Lee, mich aufzurichten.
»Danke, Kumpel«, sagte Lee.
»Kein Problem. Brauchen Sie sonst noch Hilfe?«
»Nein, Kumpel. Draußen steht ein Wagen mit Verstärkung. Danke noch mal.«
In wenigen Minuten war alles vorbei. Im Wagen saß natürlich keinerlei Verstärkung. Da stand noch nicht mal ein Wagen, sondern nur ein verlassenes, blinkendes Zivilfahrzeug, direkt vor dem Haupteingang des Ankunftsbereichs. Er hatte mich fest unter einen Ellenbogen geklemmt und zerrte mich zur Tür hinaus. Ich hätte noch einmal versuchen können wegzulaufen, doch das wäre sinnlos gewesen.
»Sei ein braves Mädchen, Catherine«, sagte er. »Sei brav. Du weißt, dass du das möchtest.«
Er stieß mich auf den Rücksitz des Wagens. Ich erwartete, dass er die Tür schließen, sich hinters Lenkrad setzen und losfahren würde. Doch stattdessen setzte er sich zu mir nach hinten.
Was dann geschah, weiß ich nicht mehr.
Freitag, 14. März 2008
Als ich das nächste Mal zu Alistair ging, erzählte ich ihm, welch schwierige Phase ich gerade durchlebte. Ich erzählte ihm von Lees Angewohnheit, Dinge umzustellen. Von dem roten Stofffetzen und dem Knopf, den ich in meiner Hosentasche gefunden hatte. Ich sah ihm an, dass er so etwas noch nie gehört hatte, auch wenn er alles tat, um das vor mir zu verbergen. Wahrscheinlich dachte er, ich hätte es selbst getan. Vermutlich fragte er sich, ob sich zu meiner Angststörung nun auch noch eine Psychose gesellt hatte.
Ich muss ihm jedoch zugute halten, dass er mich beruhigte und gleichzeitig streng zu mir war. Ganz egal, wie das passiert war: Der Knopf war nur ein Knopf. Er hatte nichts zu bedeuten. Die Welt sei voll von völlig harmlosen roten Sachen, sagte er. Der rote Knopf könne mir kein Leid zufügen. Er sei in meiner Hosentasche gewesen, ich habe ihn berührt, er habe meine Angst geschürt, doch ansonsten habe er mir kein Leid zugefügt, oder?
Am liebsten hätte ich laut geschrien, dass es doch gar nicht um den Knopf ging, sondern darum, wie er in meine Hosentasche gekommen war. Doch es hatte keinen Sinn, mit ihm darüber zu sprechen. Er konnte nichts tun, und ich war es inzwischen gewohnt, dass mir niemand glaubte. Ich musste die Polizei anrufen und mich vergewissern, dass Lee noch immer in sicherer Entfernung war. Doch eines wurde mir jedenfalls klar, und das war ein kleiner Lichtstreifen am Horizont: Egal, ob ich nun rote Sachen einsteckte, um meine eigenen Ängste zu schüren, oder ob Lee mich tatsächlich wieder stalkte – was ich von Alistair brauchte, war dasselbe. Ich musste lernen, kein Opfer mehr zu sein – weder mein eigenes noch das eines anderen. Ich brauchte Kraft, um über meine schlimmen Erfahrungen
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