Wohin du auch fliehst - Thriller
die Parks und zu den Grünflächen drängten, um ein wenig Sonne zu tanken. Ich ging ein Stück zu Fuß, überquerte mehrmals die Straße und nahm dann aus einer Laune heraus ein Taxi. Keine Ahnung, warum, denn wenn Sylvia mich treffen wollte, wusste sie auch, wo ich hinfuhr. Und damit wusste natürlich auch er, wo ich hinfuhr, falls er mich denn beobachtete. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er bereits im John Lewis und wartete dort auf mich. Vielleicht war das ihre Methode, uns auf neutralem Boden zusammenzubringen, damit wir uns gepflegt unterhielten. Angst hatte ich keine, aber ich war mehr als nervös. Irgendwie verunsichert, so als erwartete mich etwas Schreckliches, Unvorhersehbares.
Ich saß da und genoss den kühlen Luftzug, der durch das offene Taxifenster hereinkam, während wir immer mal wieder im Verkehr stecken blieben. Zehn Minuten später stand ich in einer Seitenstraße vor dem Hintereingang des Kaufhauses. Hier war es kühl und schattig, der Wind fuhr um meine nackten Beine.
Das Café im vierten Stock war brechend voll, und nachdem ich einen kurzen Blick hineingeworfen hatte, dachte ich schon, ich sei zu früh dran. Doch als ich gerade wieder gehen wollte, sah ich, wie sie von einem Stuhl aufsprang und mir zuwinkte. Sie saß hinten im Lokal, in der Nähe der Toiletten, doch das war nicht der Grund, weshalb ich sie nicht entdeckt hatte. Sie trug einen schwarzen Rock, eine kurzärmelige weiße Bluse und schwarze Pumps. Ich hatte nach schriller Kleidung Ausschau gehalten, stattdessen war sie wie eine junge Angestellte angezogen.
»Hallo«, sagte sie, und zu meiner Überraschung umarmte und küsste sie mich.
»Ich hätte dich fast nicht erkannt«, sagte ich.
»Ach, wirklich?« Sie lachte auf. »Das habe ich mir gerade gekauft. Ich bin unterwegs zu einem Interview mit dem Leiter einer Anwaltskanzlei, und manchmal muss man sich eben etwas anpassen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Sie hatte bereits einen Tee für mich und zwei Zimtbrötchen bestellt, die vor uns auf dem Tisch standen. »Wie in alten Zeiten!«, sagte sie, als ich mich setzte. »Das erinnert mich an das Paradise Café .«
Ich sah mich um. Hier erinnerte rein gar nichts an das Paradise Café , aber ich sagte nichts.
»Also, wie läuft’s?«, fragte sie strahlend und biss in ihr Zimtbrötchen.
»Gut, danke«, sagte ich abwartend.
»Mike hat den Job also nicht gekriegt?«
Mike . »Nein. Er brachte am Ende doch nicht genug Erfahrung mit. Ich meine, nach achtzehn Monaten in einer Bar in Spanien – das ist nicht gerade eine optimale Qualifikation für Lagerhaltung, oder?«
Sie sah mich nur an.
»Ich fürchte, das war nicht meine Entscheidung. Es wird alles geprüft, und da hat er im Vergleich zu anderen schlechter abgeschnitten. Ich konnte nichts tun.«
Sylvia zuckte die Achseln, so als ginge sie das alles gar nichts an. Sie sah zu, wie ich meinen Tee trank. Er war noch nicht mal lauwarm. Ich fragte mich, wie lange sie schon hier gesessen hatte. Ich unterdrückte den Drang, mich umzudrehen, mich im Lokal umzusehen, zum Eingang und in den Verkaufsraum zu blicken. Er musste hier irgendwo sein, da war ich mir ziemlich sicher.
»Ich war es, falls du dich gewundert haben solltest«, sagte sie.
»Was?«
»Ich habe ihm erzählt, wo er dich finden würde. Ich habe die Stellenanzeige im Evening Standard gelesen, deinen Namen und die Kontaktdaten. ›Für weitere Informationen und Bewerbungsformulare wenden Sie sich bitte an Cathy Bailey …‹ Ich dachte, das könntest du sein.«
Ich dachte einen Augenblick nach. »Nun, da hattest du recht, ich war es auch.«
»Tut mir leid«, sagte sie.
»Jetzt ist es auch schon egal«, erwiderte ich und war mir immer noch nicht sicher, welchen Teil ihres unglaublichen Verrats sie gerade meinte. »Wie geht es dir eigentlich?«
Sie kam nicht dazu, es mir zu erzählen, denn plötzlich klingelte ihr Telefon, das zwischen uns auf dem Tisch lag. Sie zuckte zusammen, riss es an sich und sagte nervös: »Hallo?«
Ich tat, als hörte ich nicht hin.
»Ja. Ich trinke gerade einen Kaffee mit einer Freundin.« Daraufhin sah sie mich an und versuchte zu lächeln. »Nein, du kennst sie nicht, warum? Willst du dazustoßen? … Na schön. Nein, das habe ich im Büro gelassen. Warum? … Alles klar. Bis gleich.« Sie legte auf und wirkte ein wenig erleichtert.
»Tut mir leid«, sagte sie. Mir fiel auf, wie blass sie war, das Make-up, das sie trug, leuchtete nicht so wie früher. Sie sah aus, als hätte man
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