Wohin du auch fliehst - Thriller
Stuart stand barfuß und in Boxershorts in Mrs Mackenzies Wohnzimmer, direkt neben dem Sofa.
»Hier ist niemand, siehst du?«, sagte er.
Ich spürte noch immer den Luftzug. »Schau!«, sagte ich.
Die untere Glasscheibe des Küchenfensters war kaputt, ein etwa dreißig Zentimeter großes Stück Glas lag zerschmettert am Boden. Der Geruch nach Garten drang herein, und eine Brise Nachtwind fuhr kühl über meine Beine.
»Komm nicht näher!«, sagte er. Du könntest dir die Füße verletzen.« Ohne seinen eigenen Rat zu beherzigen, ging er zum Fenster.
»Hier oben hängt Fell am Glas. Sieht aus, als sei dieser Fuchs reingekommen.«
»Schon wieder dieser verdammte Fuchs!«, sagte ich. »Glaubst du, er hat einen Hammer benutzt, um das Glas zu zertrümmern?«
Stuart stand auf, kam durch die Küche auf mich zu und ging um die Glasscherben herum. »Hier ist niemand«, sagte er. »Lass uns wieder nach oben gehen.«
Wir schlossen die Tür, knallten sie zu. Stuart erlaubte nicht, dass ich sie kontrollierte. Der Riegel war ins Schloss gefallen, wir hatten es beide gehört. Wir gingen nach oben, und Stuart legte sich wieder ins Bett. Ich saß in der Küche, hatte das Licht an und trank eine Tasse Tee. Meine Hände zitterten immer noch, doch ansonsten war ich ziemlich ruhig. Ich konnte kaum glauben, dass ich das getan, dass ich mitten in der Nacht hinuntergegangen, die sichere Wohnung verlassen und Stuart im Bett zurückgelassen hatte. Dass ich aus der Tür nach unten gegangen war.
Trotz der kaputten Glasscheibe, trotz der Tatsache, dass man ganz offensichtlich bei Mrs Mackenzie eingebrochen hatte – denn das war kein Fuchs oder irgendein Tier gewesen, sondern ein Mensch –, war ich völlig ruhig. Ich fühlte mich irgendwie befreit und zuversichtlich.
Und ich war noch immer wütend. Nicht nur, weil er sich von hinten an mich herangeschlichen hatte. Nicht, weil ich aufgeschrien und damit jeden aufgescheucht hatte, der in der Wohnung gewesen sein mochte, sondern weil er gedacht hatte, dass ich es gewesen war. Er hatte geglaubt, ich hätte die Wohnungs tür geöffnet. Er hätte es niemals gesagt, aber sein Blick hatte Bände gesprochen.
Er begann, mir zu misstrauen, genau wie Claire, Sylvia und die Polizei, wie der Richter, die Ärzte – jeder.
Ich kehrte nicht wieder ins Bett zurück. Ich machte den Fernseher an und blieb wach, bis es hell wurde. Ich sah ein wenig fern und übte, an Lee zu denken. Ich war ohnehin schon verstört; da fiel es mir nicht mehr so schwer, noch einen Schritt weiterzugehen und mein Angstniveau ganz auszureizen.
Ich dachte darüber nach, wie er in Mrs Mackenzies Wohnung eingebrochen war. Ich überlegte, wie es wäre, wenn er unten im Dunklen wohnen und mir und Stuart oben in der Wohnung dabei zuhören würde, wie wir redeten oder miteinander schliefen. Ich dachte an ihn und überlegte, was er wohl vorhatte.
Als es endlich hell wurde, hatte ich Tränen im Gesicht. Ich hatte keine Angst; mein Atem ging regelmäßig. Es war tatsächlich leichter geworden, die Angst zu kontrollieren.
Als Stuart sich regte, setzte ich den Kessel auf.
Ich brachte ihm eine Tasse Tee.
»Alles in Ordnung?«, fragte er schlaftrunken.
»Es geht mir gut.«
»Tut mir leid«, sagte er. »Tut mir leid, dass ich dich heute Nacht erschreckt habe.«
»Ist schon in Ordnung.«
»Ich rufe später bei der Hausverwaltung an und lasse die Scheibe reparieren. Und ich lasse ein zusätzliches Schloss an der Tür anbringen, einverstanden?«
»Klar. Ich gehe nach unten und mache mich für die Arbeit fertig.«
Er berührte meinen Arm. »Schon? Komm doch zurück ins Bett.«
»Es ist fast sieben. Wir sehen uns heute Abend, okay?«
Ich küsste ihn. Er kuschelte sich noch einmal ins Bett, um noch fünf Minuten zu dösen, und ich ließ ihn allein und lief die Treppe hinunter in meine Wohnung. Der Drang, alles zu kontrollieren, war nach wie vor da, doch nun unterdrückte ich ihn immer. Statt die Fenster und Türen zu kontrollieren oder zu überprüfen, ob die Vorhänge genau so hingen, wie ich sie zurückgelassen hatte, überprüfte ich andere Dinge.
Wenn mich Stuart, Alistair oder sonst irgendjemand gefragt hätten, warum ich das tat, hätte ich keine Erklärung dafür gehabt. Niemand würde die Dinge bemerken, die ich bemerkte, die kleinen Zeichen, die mir sagten, dass Lee hier gewesen war. Die Tür war immer verschlossen, genau so wie ich sie hinterließ, doch das hatte nichts zu bedeuten. Ich konnte nicht erklären, woher ich
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