Wohin du auch fliehst - Thriller
Abendbrise hereinlassen sollte. Sie trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Ihr kurzes naturblondes Haar wies zwar einen frühen Lady-Di-Schnitt auf, war jedoch zu dicht und zu schwer für die dazu passende Föhnwelle. Sie war kleiner als erwartet, besaß jedoch ein Auftreten, dass ich sie bei einer Auseinandersetzung lieber auf meiner Seite gehabt hätte.
Sie ging direkt zur Bar, holte sich ein kleines Bier und kam dann zu mir herüber. »Cathy?«
Wir gaben uns die Hand. »Woher wussten Sie, dass ich es bin?«
Sie grinste. »Sie sind allein.«
Sam sah sich im Lokal um und schlug vor, dass wir uns in den Biergarten setzen sollten. Ich hatte gar nicht gewusst, dass es einen gab, doch durch die offene Tür hinter der Bar konnte man ihn sehen. Er bestand aus nur zwei Tischen, aber eine angenehme Brise machte die Temperatur erträglich.
»Danke, dass Sie bereit waren, mich zu treffen«, sagte ich. Es hatte mich ehrlich gesagt überrascht, dass sie spontan auf ihren freien Abend verzichtet hatte, um mich zu sehen und sich die traurige Geschichte Sylvias anzuhören.
»Keine Ursache«, sagte sie fröhlich, »der Abend ist sowieso viel zu schön, um drinnen zu bleiben.«
Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier, leckte sich mit der Zunge über die Lippen und sah mich dann erwartungsvoll an.
Ich erzählte ihr alles. Von meiner Freundschaft zu Sylvia, davon, wie sie abgekühlt war, als sie nach London zog und ich versuchte, mich von Lee zu trennen. Wie ich sie im Bus gesehen und sie Lee meine Adresse gegeben hatte, damit er einen Job in meiner Firma bekam. Dann erzählte ich ihr von meinem Besuch bei ihr vor ein paar Wochen, dass ich mich mit ihr getroffen hatte und schließlich von der Nachricht.
Ich zog sie aus der Tasche, faltete sie auseinander und schob sie ihr hin. Sie betrachtete den Zettel eine Weile und gab ihn mir dann zurück.
»Was hat das Ihrer Meinung nach zu bedeuten?«, fragte sie.
Ich spürte, wie ich ein wenig die Geduld verlor. »Nun, dass sie mir glaubt, dass Lee mich misshandelt hat, weil er nun dasselbe mit ihr macht.«
»Hat sie Ihnen erzählt, dass sie ein Verhältnis mit Lee hat?«
»Nicht direkt.«
»Hat Sie Ihnen erzählt, dass sie Angst vor ihm hat, oder es Ihnen irgendwie zu verstehen gegeben?«
»Sie hat es nicht direkt erwähnt, doch vieles spricht dafür. Als sie mich Mittwoch anrief, um sich mit mir zu verabreden, hat sie mich aus einer Telefonzelle und nicht von ihrem Handy aus angerufen. Lee hatte mein Handy verwanzt und las meine Mails, daher wusste er, dass ich abhauen wollte. Vermutlich macht er mit ihr dasselbe. Sie hat ein stark frequentiertes Lokal für unser Treffen gewählt, mit vielen Ein- und Ausgängen. Daran habe ich gemerkt, dass sie glaubte, eine von uns beiden würde observiert. Als ich sie traf, trug sie außerdem äußerst merkwürdige Klamotten.«
Sam sah mich fragend an. Sie hatte große dunkelblaue Augen wie ein Baby, die jedoch zu einem Gesicht gehörten, das keineswegs naiv oder betörend wirkte.
»Sylvia hat immer farbenfrohe Sachen getragen – sie ist eine Art Paradiesvogel, trägt von Gelb über Pink, Rosa bis hin zu Türkis einfach alles. Seide, Kaschmir, Leder. Aber nie im Leben eine weiße Bluse. Sie behauptete, die Sachen gerade erst gekauft zu haben, weil sie zu einem wichtigen Interviewtermin müsse und ein wenig seriöser wirken wolle. Ihre normalen Klamotten steckten in einer Tasche, die sie bei sich hatte. Doch so etwas hat sie noch nie gemacht. Sie wollte sich durch ihre bunte Kleidung immer von der Masse abheben – deshalb trug sie sie ja.«
»Sie meinen, sie wollte in der Menge nicht auffallen?«
»Genau. Er muss ihr gefolgt sein, so wie er es bei mir auch tat. Und sie hatte ihre Handtasche nicht dabei. Nur die Einkaufstasche.«
»Keine Handtasche?«
»Zuerst habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht. Aber vermutlich hatte er auch dort eine Wanze oder irgendeinen Peilsender angebracht. Ich weiß, das klingt alles ziemlich verrückt. Aber das ist es nicht, wenn man mit so jemandem mal zusammengelebt hat.«
Sie zuckte unmerklich die Achseln und nickte. »Und sie hat ihn mit keinem Wort erwähnt oder gesagt, dass sie unglücklich ist? Obwohl sie ihre Handtasche nicht dabeihatte?«
»Nein. Vermutlich hatte sie es vor, doch dann hat sie einen Anruf auf dem Handy erhalten. Das muss er gewesen sein. Kurz darauf hat sie fast fluchtartig das Lokal verlassen. Wir saßen erst seit ein paar Minuten zusammen.«
»Und Ihrer Meinung nach hat sie
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