Wohin du auch fliehst - Thriller
Moment völlig sprachlos. Ich nutzte die Gelegenheit.
»Bis bald!«, sagte ich und stellte die Tüten ab. Er musste sie eben selbst hinauftragen.
»Wohin willst du?«
»Keine Ahnung«, sagte ich im Gehen. »Ich möchte noch nicht nach Hause.«
Ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde und hinter ihm ins Schloss fiel, erst dann sah ich mich um. Er war ins Haus gegangen. Ich befand mich fast auf der Höhe der Gasse, einen Augenblick überlegte ich, gleich hindurchzulaufen und die Rückseite des Hauses zu kontrollieren, doch dafür war ich zu wütend. Ich war völlig aufgewühlt, und meine Nerven waren wie zum Zerreißen gespannt.
Donnerstag, 18. Dezember 2003
Ich hörte die Klingel nicht, aber plötzlich bemerkte ich, dass Maggie vom Tisch aufgestanden war. Als sie zurückkam, brachte sie Lee herein.
»Hi, tut mir leid, dass ich so spät komme«, sagte er.
Dem folgte ein kurzer Augenblick verblüfften Schweigens. Alle musterten ihn, seinen feinen dunkelgrauen Anzug, das blonde Haar, die strahlend blauen Augen – sein warmes Lächeln. Dann begannen vor allem die Mädchen alle gleichzeitig zu plappern.
Sylvia sprang von ihrem Platz am oberen Tischende auf und schlang ihm die Arme um den Hals, während alle anderen darauf warteten, ihn auf die Wange küssen oder ihm die Hand geben zu dürfen. Ich war natürlich als Letzte der Reihe, weil ich an der Längsseite des Tisches saß und nicht an ihn herankam. Als er sich endlich zu mir setzte, küsste er mich, zwinkerte mir zu und flüsterte: »Tut mir leid.«
Ich glühte förmlich vor Aufregung. Fast eine ganze Woche hatte ich ihn nicht gesehen und schon befürchtet, er läge irgendwo tot in einem Straßengraben. Ich war mir einsam und verlassen vorgekommen und hatte das Gefühl gehabt, verfolgt und beobachtet zu werden. Doch plötzlich war alles wieder gut: Mein toll aussehender, sexy Freund war zurückgekehrt, und ich hatte fast vergessen, wie hinreißend er doch war.
Die Anspannung hatte nachgelassen, Louise erzählte fröhlich und bis ins Detail, wie Claire sich einmal vor Lachen in die Hose gemacht und dann gezwungen gewesen war, ihren Slip in der Damentoilette unter dem Handtrockner zu trocknen. Steve erzählte Lee von seinem neuen Wagen, und ich strahlte. Er war einfach großartig – so blendend schön und cool, so gelassen. Wie er alle angelächelt und sich für seine Verspätung entschuldigt hatte! Wie er sogar noch Zeit gefunden hatte, Sylvia eine Flasche Cristal und Maggie einen Strauß langstieliger weißer Rosen zu kaufen. Wie sprachlos und irgendwie ehrfürchtig ihn die Mädchen alle angesehen hatten. Und jetzt saß er neben mir, widmete Stevie seine ungeteilte Aufmerksamkeit und legte dabei unter dem Tisch seine rechte Hand auf meinen Oberschenkel.
Ich spürte mein Handy in der Tasche vibrieren, suchte danach und überlegte, ob es vielleicht eine verspätete Nachricht von Lee war, in der er mir mitteilte, dass er es nicht rechtzeitig schaffen würde.
Komischerweise war sie von Sylv.
Haben seine Augen tatsächlich diese Farbe, oder trägt er Kontaktlinsen?
Mit einem Daumen tippte ich die Antwort.
Die sind echt.
Über den Tisch hinweg sah ich, wie sie fröhlich mit Max plauderte. Er hatte sich endlich beruhigt und etwas von der Röte verloren, die ihm offenbar immer dann ins Gesicht stieg, wenn er gestresst war.
Claires Wangen hingegen leuchteten ziemlich rosig. »Claire, solltest du nicht langsam mal eine Pause einlegen?«, sagte Sam und sah sie streng an. »Auf einen Auftritt wie unlängst im Cheshire können wir getrost verzichten.«
»Sei nicht so gemein!«, sagte Claire schmollend. »Übrigens, da fällt mir ein, dass du noch gar nicht erzählt hast, was Jack im Cheshire passiert ist.«
»Mein Gott, war das lustig.«
»Erzähl es ihnen!«, beharrte Claire und fuhr dann atemlos fort: »Jack war im Cheshire so durch den Wind, dass er kurz davor war, sich zu übergeben …«
»Genau wie du«, sagte Lennon.
»… also rannte er auf die Herrentoilette«, fuhr Sam fort, denn Claire hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Er hatte es so eilig, dass er einfach die nächstbeste Toilettentür aufstieß … Nur dass dort leider gerade ein armer Kerl beim Scheißen saß und Panik bekam, als Jack die Tür aufriss. Das Problem war jedoch, dass Jack sich nicht mehr beherrschen konnte …«
»… oder vielleicht war er auch einfach nur zu blau, um zu checken, dass die Toilette schon besetzt war«, fügte Claire hinzu, und Lachtränen rannen ihre Wangen
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