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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Damm
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Briesetal bei Berlin gefahren, die Sonne schien durch die zartgrünen Blätter, spiegelte sich im See, wir gingen den Uferweg entlang. Die beiden liefen engumschlungen vor mir her. Ich folgte ihnen, schob den Kinderwagen. Da die Erinnerung: Ich sah mich vor zwanzig Jahren, an eben jenem Uferweg im Briesetal in der heimlichen Zeit mit meinem Geliebten – oft waren wir hier –, sah mich dann später mit meinem Ehemann, seltsamerweise hatte auch er dieses Tal für unsere vergeblichen Versuche der Rettung unserer Ehe gewählt. Nun lebe ich seit
Jahren allein; kein Umfangenwerden, kein Lauschen auf die Atemzüge des andern bei Nacht. War dieses Kind vielleicht ein Ersatz? Plötzlich war mir problematisch, wie ich da auf dem Uferweg beglückt den Kinderwagen vor mir herschob. Sah es nicht nach Resignation aus? Da schien mir auf einmal mein Großmutter-Dasein als das des unabwendbaren Altwerdens, als das des herannahenden Endes.
    Mir kommt die hinfällige, von den beiden jungen Männern gestützte Frau im Restaurant Comparone an der Piazza in Piscinula in den Sinn.
     
    An einem der ersten Abende auf dem Monte Pincio examinierte mich Fulio, was ich bisher von Rom gesehen hätte. Er war unzufrieden.
    Als ich zur nächsten Italienischstunde erscheine, ist nur Anna da. Sie nimmt mich an der Hand, unweit von hier stehe das Auto. Ohne Widerrede folge ich ihr. Ein Minimalprogramm habe er sich ausgedacht, was man in Rom gesehen haben müsse, ruft der im Auto schon ungeduldig wartende Fulio mir entgegen. Wir fahren zur Via Veneto. Anna chauffiert, Fulio erklärt. Der Inbegriff von la dolce vita sei diese Straße. Namen von Hotels und berühmten Gästen, die in den fünfziger Jahren hier abstiegen, Jahreszahlen aus Jahrhunderten, Namen von Brunnen, Gebäuden, Kirchen; Santa Maria della Concezione, hier seien Schädel und Knochen von 4000 Franziskanern aufbewahrt, zum Teil zu Ornamenten gestaltet; ein barockes Memento mori.
    Ein andermal fahren wir auf den Gianicolo, besehen das 1895 geschaffene Reiterstandbild Giuseppe Gari
baldis. Kriegerische Pose, wilde Gebärde. Aber vom Fuß des hohen Sockels ein phantastischer Blick über die Stadt.
    Und: Fulio hat sich in den Kopf gesetzt – er hat sogar eine Zeichnung angefertigt –, mir die antike Via Flaminia, die Fortsetzung der Via del Corso, die Verbindung Roms nach Norden, zu zeigen. 220 vor Christus von Gaius Flaminius angelegt, führe sie über die gesamte Halbinsel, überquere den Apennin und ende in Rimini. So weit fahren wir heute nicht, lacht Fulio, läßt Anna an der Brücke, der Ponte Flaminio, halten und – er warte im Auto – besteht darauf, daß ich mit ihr zu der den Fußgängern vorbehaltenen Milvischen Brücke laufe, wo die Via Flaminia auf den Tiber treffe, ein antikes Bauwerk, Garibaldi habe es sprengen lassen, um das Vorrücken der Franzosen zu verhindern, unter Papst Pius IX . sei es 1850 wieder errichtet worden, die mittleren Pfeiler und Bögen seien noch antik. 
     
    23. Juli
    Unerträgliche Hitze seit Tagen. Die Stadt glüht. Die Touristenströme scheinen ins Unendliche zu wachsen. Im August sollen sie nachlassen. Die Abgase der Autos stehen in der heißen Schwüle wie Wolken dicht über dem Straßenpflaster, der Asphalt ist aufgeweicht. Selbst im Schatten ist es am Nachmittag zu heiß auf den Bänken im Park der Villa Borghese. Ich klage es Baschal. Er sitzt mit der italienischen Ausgabe meiner »Cornelia Goethe« in der Pförtnerloge und liest. Einmal in seinem Leben wolle auch er unbedingt ein Buch schreiben,
sagt er, lacht, zeigt seine weißen Zähne. Und freut sich über die Geschenke, die ich für seine Kinder mitgebracht habe.
    Für Sonntag habe er eine Überraschung für mich. Die Äbtissin erlaube, nachdem sie einen Blick in seine Lektüre geworfen habe, daß ich am Nachmittag für zwei Stunden im Garten der Nonnen spazierengehen könne.
     
    24. Juli
    Die wechselnden Praktikanten in der Casa di Goethe. Drei oder mehr Monate bleiben sie, es sind begehrte Plätze, die Bewerber drängen sich. Die Zeit der Praktikantin, die uns am ersten Rom-Tag empfing, ist um. Sie fliegt nach Deutschland zurück. Ab morgen werde ich in der Nacht allein in der Casa di Goethe sein. Sie erklärt mir die Alarmanlage und weist mich ein, was zu tun ist, wenn sie sich auslöst. Und wie und welcher Bereich zu entsichern sei, wenn ich am Morgen die Putzfrau einlassen müsse. Ich möchte ihr Zimmer sehen. Sie zeigt es mir, es ist winzig, aber es ist ruhig und atmosphärisch,

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