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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Damm
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Einmal schrillt irgendwo in der Nähe minutenlang eine Alarmanlage. Gegen drei Uhr die Kolonne der Kehrmaschinen. Ab sieben das Gedröhn von Preßlufthämmern. Und um
halb acht Uhr schiebt sich ein riesiger Kran die Via del Corso entlang, Material für die Baustelle zwei Häuser weiter wird abgeladen. Mein fester Entschluß: Sobald die Leiterin der Casa di Goethe vom Urlaub zurückkommt, werde ich um das kleine Zimmer bitten.
     
    2. August
    Frau Bongaerts ist zurück. In Berlin haben wir uns bereits kennengelernt in Vorbereitung auf meine Stipendiatenzeit. Eine sympathische, offene junge Frau, die vor Energie sprüht.
    Ich bin erschrocken, sie sieht schlecht aus, keineswegs kommt sie erholt aus dem Urlaub zurück. Sie habe ihre Scheidung hinter sich, sechzehn Jahre sei sie mit dem Mann zusammengewesen, sagt sie. Ihr Bedürfnis, darüber zu sprechen. Ich höre zu.
    Dann trage ich meinen Wunsch mit dem kleinen Zimmer vor. Sie versteht mein Problem, bittet aber um einen Tag Bedenkzeit.
     
    3. August
    Ihre Zusage; Bedingung ist, daß ich jeden Morgen die Putzfrau einlasse und vorher die Alarmanlage für die Museumsräume entsichere. Ich verschweige, daß ich das schon getan habe. Bin ihr äußerst dankbar. (Mir ist bewußt, daß dem Haus dadurch zusätzliche Kosten entstehen.) Das kleine Brillengestell protestiert entschieden. Massimiliano erklärt sich sofort bereit, ihr bei der Zimmersuche zu helfen. Ein paar Tage aber werde es dauern.
     
    4. August
    Goethe und Faustina aus Pappmaché sind angekommen. Mit dem Rücken zueinander stehen sie im Büro; Werbung zum 250. Geburtstag Goethes, sie werden auf dem Balkon postiert, um Besucher anzulocken.
     
    5. August
    Heute der für mich schönste abendliche Ausflug mit Fulio und Anna. Dorthin, wo der Tiberfluß die große Schleife macht, auf den dem Stadtteil Trastevere gegenüberliegenden Aventin. Als erstes die Kirche Santa Maria in Cosmedin. Die Vorhalle, ich erinnere mich, hier war ich schon; an dem Kolosseumstag, die Touristen, die sich mit der Hand in der Öffnung fotografieren ließen. Den feingliedrigen siebenstöckigen Campanile von Santa Maria in Cosmedin habe ich damals nicht wahrgenommen. Von griechischen Mönchen, die zur Zeit des Bildersturms aus Byzanz nach Rom flohen, ist die Kirche errichtet worden. Und das begehrte Fotoobjekt ist ein antiker Wasserspeier, eine Tritonenmaske, die Bocca della Verità , der Mund der Wahrheit, sie beiße jeden Lügner, der die Hand in die Öffnung lege.
    Wir fahren weiter, die Kirche Santa Sabina. Durch Fulios Behindertenausweis können wir unweit vom Eingang parken. Die Kirche ist noch offen. Die Anmutung einer frühchristlichen Basilika, ein hoher Innenraum mit korinthischen Säulen, über und zwischen den Bögen Marmorintarsien in Grün und Purpur. Ein Raum von großer Schönheit. (Hierher, in die Kirche Santa Sabina, an der Piazza Pietro d'Illiria, werde ich mehrfach
zurückkehren. Zweimal sogar eine römische Hochzeit erleben, die Braut in Tüllwolken, die ganze Gesellschaft festlich angezogen, die kleinen Mädchen in Organzakleidchen, mit Hütchen und Lackschühchen, die kleinen Jungen wie Erwachsene in schwarzen Anzügen mit Schlips und Weste. Diese Hochzeiten kosten ein Vermögen, erzählt mir Renata Crea, jahrelang spart das Brautpaar darauf.)
    Heute aber, als ich mit Fulio und Anna Santa Sabina erstmals betrat, sagt er, er wolle mir die vermutlich älteste erhaltene Darstellung der Kreuzigung Christi zeigen; auf einem der achtundzwanzig Holzreliefs in dem auf das Jahr 432 datierten Portal aus afrikanischem Zedernholz ist sie zu sehen, im Portikus, links neben dem Haupteingang.
    Dann fahren wir zur Piazza dei Cavalieri di Malta. Anna hält am Sitz des Malteser-Ordens an, und Fulio fordert mich auf, durch das Schlüsselloch am Tor zu sehen. Ein seltsamer Befehl, ich zögere, aber er drängt. Ich tue es, und genau im ovalen Ausschnitt des Schlüsselloches erscheint, wie in einem Rahmen, die Kuppel des Petersdoms. Fulio lacht über die gelungene Überraschung. (Auch hierher werde ich bei meinen Wegen über den Aventin noch mehrmals zurückkehren, aber immer stehen Reisebusse auf dem Parkplatz, und lange Schlangen warten vor dem Tor der Villa dei Cavalieri, um einen Blick durch das Schlüsselloch zu tun.)
     
    6. August
    In dem winzigen Kabinett neben der Bibliothek, das durch die Alarmanlage gesondert gesichert ist, arbei
tet seit Tagen ein junger Mann. Er katalogisiert die originalen Goethe-Zeichnungen, die im Besitz

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