Wohnraum auf Raedern
Schlüssel die Glastür auf der Terrasse. Die weißen Gö t ter auf der Balustrade blickten die Gäste freundlich an.
Diese stiegen die weiße Treppe hinauf, welche mit einem himbeerfarbenen Teppich, den vergoldete Stäbe festhielten, bedeckt war. Allen voran war der Nackte, er ging neben Jona und setzte seine nackten Sohlen stolz auf die flaumigweichen Stufen.
Von den feinen weißen Vorhängen abgeschwächt, floß das Abendlicht von oben durch die großen Fenster hinter den Säulen in den Raum. Als sich die Besucher auf dem oberen Treppenabsatz umdrehten, erblickten sie die durchschrittene Treppenflucht, die Balustrade mit den weißen Statuen, die weißen Nischen mit den schwarzen Portraitbildern und den geschnitzten Lüster, der von der dünnen Schnur in die Tiefe zu stürzen drohte. Weit oben rankten sich im Flug rosafarbene Amouretten.
»Schau, Werotschka, schau –«, flüsterte die dicke Mutter: »Siehst du, wie Fürsten zu normalen Zeiten gelebt haben!«
Jona stand etwas abseits, und sein glattrasiertes falt i ges Gesicht leuchtete vor Stolz im sanften Abendlicht.
Der Nackte rückte den Zwicker auf seiner Nase z u recht, blickte sich um und sagte: »Von Rastrelli gebaut. Ohne Zweifel. 18 . Jahrhundert.«
»Was für ein Rastrelli!« antwortete Jona leise hu s tend. »Der selige Fürst Anton Ioannowitsch hat es g e baut, vor hundertfünfzig Jahren. So ist das«, seufzte er. »Der Ur-ur-urgroßvater des jetzigen Fürsten.«
Alle wandten sich Jona zu.
»Sie verstehen offenbar nicht«, antwortete der Nac k te, »es stimmt, unter Anton Ioannowitsch, aber der Architekt war doch Rastrelli. Und selig kann der Fürst nicht sein, da es keinen Himmel gibt, und Gott sei Dank gibt es auch keinen jetzigen Fürsten mehr. Übe r haupt verstehe ich nicht, wo ist denn die Leiterin?«
»Die Leiterin«, begann Jona und schnaubte vor Haß gegen den Nackten, »liegt wegen ihrer Zähne im Ste r ben, morgen früh wird sie tot sein. Und mit dem Himmel – da haben Sie recht. Für gewisse Leute gibt es ihn nicht. Ins Himmelreich kommt man nicht in una n ständiger Kleidung ohne Hosen. Habe ich nicht recht?«
Die Jungen brachen alle miteinander in lautes Geläc h ter aus. Der Nackte blinzelte und verzog seinen Mund.
»Erlauben Sie, Ihre Sympathien für das Himmelreich und die Fürsten sind heutzutage ziemlich eigenartig ... Und mir scheint ...«
»Lassen Sie, Genosse Antonow«, sagte beschwicht i gend eine Mädchenstimme aus der Gruppe.
»Semjon Iwanowitsch, laß ihn, macht doch nichts!« dröhnte ein brüchiger Baß.
Sie gingen weiter. Das letzte Abendrot fiel durch das Netz des Efeus, der sich um die Glastür rankte, welche auf die Terrasse mit den weißen Ulmen führte. Sechs weiße Säulen mit geschnitzten blattförmigen Kapitellen trugen die Galerie, auf der einst die Trompeten der Musikanten geglänzt hatten. Die Säulen erhoben sich freudig und keusch, die leichten vergoldeten Stühle standen sittsam an den Wänden. Dunkel blickten Trauben von Zuglampen von den Wänden herab, als ob darin erst gestern abend die heruntergebrannten weißen Kerzen gelöscht worden wären. Die Amoure t ten rankten sich und verflochten sich zu Girlanden, eine nackte Frau tanzte in zarten Wolken. Unter den Füßen verlief im Schachbrettmuster das spiegelglatte Parkett. Seltsam wirkte die neue lebende Menge auf dem schwarzgebänderten Boden, und der Ausländer mit der goldenen Brille, der sich von der Gruppe abg e sondert hatte, sah schwer und düster aus. Er stand hi n ter einer Säule und blickte verzückt durch das Netz des Efeus in die Ferne.
Aus dem Stimmengewirr ertönte die Stimme des Nackten. Er fuhr mit dem Fuß über das glänzende Pa r kett und fragte Jona: »Wer hat das Parkett gemacht?«
»Leibeigene Bauern«, antwortete Jona ohne Feinds e ligkeit, »unsere Leibeigenen.«
Der Nackte lachte mißbilligend auf. »Gut gemacht, da ist nichts zu sagen. Ja, lang hat das Volk geschuftet und diese Stückchen herausgesägt, damit nachher Ta u genichtse darauf die Hacken zusammenschlagen kon n ten. Onegin und solches Geschmeiß ... Wahrscheinlich haben sie ganze Nächte durchgetanzt. Sonst hatten sie ja doch nichts zu tun.«
Jona dachte bei sich: Dieser nackte Kerl ist eine K a tastrophe, möge Gott mir verzeihen, – er seufzte, schü t telte den Kopf und setzte die Führung fort.
Die Wände verschwanden unter dunklen Gemälden in verblaßten Goldrahmen. Katharina II. im Hermelin, mit einem Diadem auf den gelockten weißen Haaren,
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