Wohnraum auf Raedern
blickte unter einer riesigen schweren Krone dräuend von der Wand, die sie ganz einnahm. Ihre feinen spitz zulaufenden Finger lagen auf der Armlehne. Ein stup s nasiger junger Mann mit viereckigen Sternen auf der Brust zierte das Gemälde gegenüber und blickte voll Haß auf seine Mutter. Die Portraits von Mutter und Sohn waren bis an den stuckverzierten Plafond hinauf umringt von Fürstinnen und Fürsten aus dem G e schlecht der Tugaj-Beg-Ordynskij mit ihren Verwan d ten.
In dunklem Glanz und voller Sprünge, ausgeführt von dem eifrigen Pinsel eines Malers des 18 . Jahrhu n derts nach unsicheren Überlieferungen und Legenden, saß im Dämmer eines durch lange Zeit geschwärzten Gemäldes der schielende, schwarze räuberische Urahn des Geschlechts, in einer mit bunten Steinen g e schmückten Kappe, mit einem edelsteinverzierten S ä belgriff – der Befehlshaber der Kleinen Horde Khan Tugaj.
Ein halbes Jahrtausend des Geschlechts der Tugaj-Beg blickte von den Wänden, ein berühmtes und kü h nes Geschlecht, in dem sich Blut von Fürsten, von T a tarenkhanen und Zaren mischte. In dämmrigen Fl e cken erstand in den Gemälden die Geschichte des Geschlechts, bedeckt von Kriegsruhm und Schande, von Liebe, Haß, Laster und Verderbtheit ...
Auf einem Piedestal stand die patinierte bronzene Büste der alten Fürstin-Mutter in einer bronzenen Haube, die mit bronzenen Bändern unter dem Kinn befestigt war, mit einem Monogramm auf der Brust, welches wie ein blinder ovaler Spiegel aussah. Der tr o ckene Mund war eingefallen, die Nase scharf geworden. Ihre lasterhafte Phantasie war grenzenlos gewesen, sie war ihr Leben lang aus zwei Gründen berühmt – als blendende Schönheit und als furchtbare Messalina. Im feuchten Nebel der ruhmreichen und schrecklichen Stadt des Nordens war ihre Person von Legenden u m woben, weil sie dort von jenem in weißes Elchleder gekleideten, schon recht betagten General, dessen Por t rait im Arbeitszimmer neben dem Alexanders I. hing, erstmals zur Geliebten gemacht wurde. Danach wurde sie von Tugaj-Beg-Vater übernommen und gebar ihm den jetzigen und letzten Fürsten. Als sie verwitwet war, genoß sie den Ruf, sie lasse sich nackt von vier gutg e wachsenen Heiducken an einem Seil in den Weiher tauchen ...
Der Nackte trat nach vorne, klopfte mit dem Fi n gernagel auf die Bronzehaube und sagte: »Das, Geno s sen, war eine bemerkenswerte Person. Eine berühmte Hetäre der ersten Hälfte des 19 . Jahrhunderts ...«
Die Dame mit dem Bauch wurde puterrot, nahm i h re Tochter an der Hand und führte sie schnell zur Seite. »Das ist ja unmöglich ... Schau, Werotschka, die Por t raits der Vorfahren ...«
»Sie war eine Geliebte Nikolajs des Knüpplers«, fuhr der Nackte, seinen Zwicker zurechtrückend, fort, »sogar in Romanen einiger bürgerlicher Schriftsteller wird sie erwähnt. Und was sie sich auf ihrem Gut geleistet hat, das geht über jede Vorstellung. Kein hübscher Bursche war vor ihr sicher ... Griechische Nächte hat sie vera n staltet ...«
Jonas Mund verzog sich, seine Augen wurden trübe und feucht, und seine Hände begannen zu zittern. Er wollte etwas sagen, brachte aber nichts heraus, nur zweimal holte er tief Atem. Alle warfen neugierige Bl i cke auf den allwissenden Nackten und die bronzene Alte. Die geschminkte Dame ging um die Büste herum, und selbst der hoheitsvolle Ausländer starrte lange den Rücken des Nackten an, obwohl er kein Russisch verstand.
Sie gingen durch das Arbeitszimmer des Fürsten mit Espadonen, Pallaschen, Krummsäbeln, mit Panzerhe m den zaristischer Heerführer, mit Helmen der Gardek a vallerie, mit Portraits der letzten Zaren, mit Hake n büchsen, Musketen, Degen, Daguerreotypien und vergilbten Photographien – Gruppen der Gardekavall e rie, in der die älteren Tugaj-Beg gedient hatten, und der Reiter, wo die jüngeren dienten, mit Aufnahmen von Rennpferden der Tugaj-Beg-Stallungen, mit Schrä n ken, voll von alten schweren Büchern.
Sie gingen durch die ganz mit Tekin-Teppichen au s gelegten Rauchzimmer mit Wasserpfeifen, Sofas, mit Kollektionen türkischer Pfeifen in Ständern, durch kleine Salons mit blaßgrünen Gobelins, mit alten kar-selischen Lampen. Sie gingen durch das Gewächszi m mer, wo die Palmzweige immer noch nicht verdorrt waren, durch den grünen Spielsalon, wo in gläsernen Vitrinen Fayencen und Porzellan gülden und hellblau schimmerte, weshalb Jona aufgeregt Dunjka zuzwinke r te. Hier, im Spielsalon, prunkte einsam auf einem G e
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