Wohnraum auf Raedern
Ihnen gehen.«
»Na ja, gut ... Ist ja nichts dabei. Geht schon. Wir werden es schon schaffen. Werden schon aufpassen. Die Hauptsache sind die Tassen. Die Tassen sind das Wichtigste. Es kommen alle möglichen Leute ... Gleich ist’s geschehen ... Einer steckt sie in die Tasche und dann auf Nimmerwiedersehen. Und wer ist verantwor t lich? Wir. Ein Bild, das steckt man nicht so leicht ein. Hab’ ich nicht recht?«
»Dunjascha geht mit Ihnen und wird hinterher au f passen. Und wenn jemand nach Erklärungen fragt, sagen Sie, die Aufseherin sei krank.«
»Ist recht. Und versuchen Sie’s mit Hühnerdreck. Bei den Ärzten heißt es gleich reißen und die Backe aufschneiden. Einem von hier haben sie ihn auch geri s sen, Fjodor hieß er, und der ist daraufhin gestorben. Das war noch vor Ihrer Zeit. Bei ihm hat auch der Hund so geheult.«
Tatjana Michailowna stöhnte kurz und sagte: »G e hen Sie, gehen Sie, Jona Wassiljitsch, vielleicht ist schon jemand gekommen ...«
Jona sperrte das schwere eiserne Tor mit dem weißen Plakat auf, wo geschrieben stand:
schloss-museum
Hauptquartier des Khans
Führungen am Mittwoch, Freitag und Sonntag
von 6 – 8 Uhr abends.
Um halb sieben kamen mit dem Vorortszug aus Mo s kau die Besucher. Erstens eine Gruppe von ungefähr zwanzig lachenden jungen Leuten. Darunter waren Jungen in Khakihemden, Mädchen ohne Hüte, manche in weißen Matrosenblusen, manche in bunten Jacken. Einige trugen nur Sandalen an den bloßen Füßen, a n dere hatten geflickte Schuhe; die Burschen waren in breiten hohen Stiefeln.
Zu diesen jungen Leuten gehörte auch ein älterer Mann von etwa vierzig, der Jona gleich auffiel. Er war vollkommen nackt bis auf eine hellbraune kurze Hose, die nicht einmal bis an die Knie reichte und am Bauch von einem Riemen zusammengehalten wurde, auf de s sen Schnalle » 1 . Realschule« stand; und bis auf einen Zwicker auf der Nase, der mit violettem Siegellack geklebt war. Der krumme Rücken des nackten Mannes war von einem hartnäckigen braunen Ausschlag b e deckt, und seine Beine waren ungleich – das rechte dicker als das linke, und die Unterschenkel waren von netzartigen Krampfadern überzogen.
Die Jungen und Mädchen taten, als sei überhaupt nichts dabei, daß ein nackter Mann in der Eisenbahn fährt und ein Schloß besucht, aber der alte vergrämte Jona war über den Nackten verblüfft und erstaunt.
Der Nackte ging erhobenen Hauptes mit den Mä d chen vom Tor zum Schloß, eine seiner Schnurrbartspi t zen war kühn aufgezwirbelt, und sein Bart war gestutzt wie bei gebildeten Menschen. Die jungen Leute hatten Jona umringt, schwatzten durcheinander und lachten die ganze Zeit, so daß Jona schließlich ganz verwirrt wurde, voll Trauer an die Tassen dachte und Dunjka vieldeutig auf den Nackten hin zuzwinkerte. Die platzte fast vor Lachen beim Anblick des Verschiedenbeinigen. Und da tauchte zu guter Letzt noch von irgendwoher Cäsar auf und ließ alle ungehindert vorbei, den Nackten aber bellte er mit einer besonderen, heiseren, greisenha f ten Bosheit an, hustete und verschluckte sich dabei. Dann begann er durchdringend und qualvoll zu heulen.
– Pfui, du Verfluchter, – dachte Jona hilflos und zornig, während er zu dem ungebetenen Gast schielte, – dich hat der Teufel geschickt. Und warum Cäsar nur heult. Wenn jemand sterben muß, dann sei’s wenig s tens dieser Nackte.
Cäsar kriegte mit den Schlüsseln eins über die Seite, denn hinter der Gruppe kamen getrennt noch fünf gute Besucher. Eine Dame mit dickem Bauch, aufgeregt und gerötet wegen des Nackten. Sie hatte ein Mädchen mit langen Zöpfen bei sich. Ein glattrasierter großer Herr und eine Dame, schön und geschminkt, und ein älterer reicher ausländischer Herr mit einer riesigen goldenen Brille, einem weiten hellen Mantel und mit Stock. C ä sar ließ den Nackten stehen und stürzte sich auf die guten Besucher. Zuerst bellte er, die trüben alten Augen voller Gram, den grünen Schirm der Dame an, und dann heulte er so gegen den Ausländer los, daß dieser erblaßte, zurückwich und in einer Sprache, die keiner verstand, irgend etwas murmelte.
Das war Jona zu viel, er gab es Cäsar tüchtig, so daß dieser aufhörte zu heulen, die Zähne fletschte und ve r schwand.
»Die Schuhe am Fußabstreifer abputzen«, sagte Jona, und sein Gesicht wurde wie immer, wenn er das Schloß betrat, streng und feierlich. Er flüsterte Dunjka zu: »Paß auf, Dunj...« und öffnete mit dem schweren
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