Wohnraum auf Raedern
mälde ein glänzender Offizier in weißer Uniform, die Hand am Degengriff. Die Dame mit dem Bauch richt e te ihren Blick auf den Helm mit dem sechseckigen Stern, auf die trichterförmigen Handschuhe, auf die schwarzen, pfeilgerade hinaufgezwirbelten Schnurrbar t spitzen und fragte Jona: »Wer ist denn das?«
»Der letzte Fürst«, antwortete Jona seufzend, »Anton Ioannowitsch, in Gardeuniform. Sie dienten alle in der Gardekavallerie.«
»Und wo ist er jetzt? Ist er gestorben?« fragte die Dame ehrfürchtig.
»Warum soll er gestorben sein ... Er ist jetzt im Au s land. Gleich als es anfing, reiste er ab«, unterbrach sich Jona zornig, um dem Nackten nicht wieder einen A n laß zu geben.
Der Nackte räusperte sich und öffnete den Mund, aber eine Stimme in der Gruppe der Jungen warf wi e der ein: »Ach was, Semjon ... er ist ein alter Mann ...«
Und der Nackte schwieg.
»Wie, er lebt?« – wunderte sich die Dame. – »Das ist wunderbar! ... Hat er Kinder?«
»Kinder hat er keine«, antwortete Jona traurig. »Gott hat ihm keine geschenkt ... Ja. Sein jüngerer Bruder, Pawel Ioannowitsch, der ist im Krieg gefallen. Er hat gegen die Deutschen gekämpft ... Er diente in ... bei den berittenen Grenadieren diente er. Er ist nicht von hier. Im Gouvernement Samara hatte er ein Gut ...«
»Ein bemerkenswerter Alter ...«, flüsterte jemand b e geistert.
»Der gehört selbst ins Museum«, stieß der Nackte hervor.
Sie kamen ins Schlafgemach. Rosafarbene Seide wal l te sternförmig von oben an den Wänden herab, ein rosa Teppich verschluckte jeden Laut. In einer Nische aus rosa Tüll stand ein geschnitztes Doppelbett. Es war, als hätten noch vergangene Nacht zwei Körper darin g e schlafen. Alles im Schlafzimmer schien bewohnt zu sein: der Spiegel in einem Rahmen aus silbernen Blä t tern, das in Elfenbein gebundene Album auf dem Tischlein und das Portrait der letzten Fürstin auf der Staffelei – einer jungen Fürstin in rosa. Die Lampe, die geschliffenen Flakons, die Kärtchen in hellen Rahmen, ein hingeworfenes Kissen schien lebendig zu sein ... Sicherlich schon dreihundert Mal hatte Jona Besucher durch das Schlafzimmer der Tugaj-Beg geführt, doch jedesmal, wenn eine Reihe fremder Füße über die Te p piche ging, wenn fremde Augen gleichgültig über das Bett glitten, war er schmerzlich berührt und gekränkt. Eine Schande war das. Heute aber war Jona besonders bedrückt, wegen der Anwesenheit des Nackten und noch aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht ve r stehen konnte ... Deshalb atmete er erleichtert auf, als die Führung zu Ende war. Er führte die ungeladenen Gäste durch das Billardzimmer in den Korridor und von dort über die zweite östliche Treppe auf die Seite n terrasse und hinaus.
Der Alte sah selbst, wie die Schar der Besucher durch das eiserne Tor fortging und wie Dunjka abschloß.
Der Abend war gekommen und mit ihm die abendl i chen Geräusche. Irgendwo in der Nähe von Oresch-njewo spielten Hirten auf ihren Flöten, hinter den Te i chen bimmelten feine Glöckchen – die Kühe wurden nach Hause getrieben. Abends donnerte es in der Ferne einige Male – das waren Schießübungen in den Lagern der Rotarmisten.
Jona schlenderte über den Kies zum Hof, die Schlüssel schepperten an seinem Gürtel. Jedesmal, wenn die Bes u cher gegangen waren, kehrte der Alte ordentlich ins Schloß zurück und ging noch einmal allein durch, sprach dabei mit sich selbst und schaute, ob alles an seinem Platz war. Dann hatte er nichts mehr zu tun und konnte bis zur Dämmerung vor dem Wächterhäuschen sitzen, rauchen und über die verschiedenen Angelegenheiten nachdenken, an die ein alter Mann zu denken hat.
Der Abend war dazu geeignet, es war hell und warm, doch wie zum Trotz war Jonas Herz voll Unruhe. Wahrscheinlich, weil der Nackte ihn verwirrt und au f geregt hatte. Jona murmelte etwas vor sich hin, trat auf die Terrasse, blickte mürrisch um sich, rasselte mit dem Schlüssel und trat ein. Mit weichen Schritten ging er über die Treppe nach oben.
Am Vorplatz beim Eingang in den Ballsaal blieb er stehen und erblaßte.
Im Schloß waren Schritte. Sie kamen vom Billar d zimmer, gingen durch das Gewächszimmer, dann ve r stummten sie. Dem Alten blieb eine Sekunde lang das Herz stehen, er glaubte zu sterben. Dann begann sein Herz wie verrückt im Rhythmus der Schritte zu schl a gen. Jemand kam auf Jona zu, da war kein Zweifel, er ging mit festen Schritten, das Parkett knarrte schon im Arbeitszimmer.
Diebe!
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